Vogel Gryff

Die drei Ehrenzeichen Leu, Vogel Gryff und Wild Maa auf der Mittleren Brücke.

Der Vogel Gryff ist eine heraldische Figur von Kleinbasel, dem rechtsrheinischen Teil der Stadt Basel. Der von den Drei Ehrengesellschaften Kleinbasels (3 E) organisierte volkstümliche Feiertag ist nach ihm benannt.

Abwechselnd im Turnus von drei Jahren am 13., 20. oder 27. Januar (falls dieser auf einen Sonntag fällt: am Samstag davor) erlebt Basel alljährlich das Fest der drei Ehrengesellschaften zum Rebhaus, zur Hären und zum Greifen. An diesem Tag treten die drei personifizierten Schildhalter Vogel Gryff, ein Greif in schwerem Schuppenpanzer, der Wild Maa, ein Tännchen schwingender Wilder Mann und der Leu, ein Löwe, auf. Sie ziehen durchs Kleinbasel und führen dabei immer wieder ihre traditionellen Tänze vor.[1]

Ablauf

Talfahrt des Wild Maa

Gestartet wird das Fest um 10:30 Uhr mit der Rheinfahrt des Wilden Mannes. Die genaue Zeit ist abhängig vom Wasserstand des Rheines. Der Wilde Mann fährt tanzend auf einem Floss talwärts und wird durch Trommelrhythmen und mit Böllerschüssen begleitet. Entgegen einer verbreiteten und gerne kolportierten Meinung ist er dabei aber nicht beflissen, Grossbasel den Rücken zuzukehren. Vielmehr hält er, wie es sich gehört, seinen Blick auf das zu ehrende Kleinbasel gerichtet, und so ist es unvermeidlich, dass er Grossbasel den Rücken zeigt. Unterhalb der Mittleren Rheinbrücke erscheinen unterdessen der Vogel Gryff und der Leu mit ihren Begleitern, den drei Tambouren und Bannerträgern, sowie den vier Narrengestalten der Ueli, welche mit klappernden Büchsen Geld für Bedürftige sammeln. Mit mächtigem Satz springt gegen 11 Uhr der Wilde Mann an Land, nicht ohne zuvor die Tanne ausgiebig im Wasser genetzt zu haben.

Um 12 Uhr tanzen die Ehrenzeichen auf der Mittleren Rheinbrücke. Auch während dieses Tanzes bleibt ihr Blick auf das Kleinbasel gerichtet. Danach formiert sich der Umzug. Bis in den Abend hinein geht es, mit einigen trinkfreudigen Pausen, kreuz und quer durchs Kleinbasel vor die Wohn- oder Geschäftssitze der Herren Meister und Vorgesetzten sowie in den Hof des Waisenhauses.

Ab 13 Uhr finden sich die 450 Gesellschaftsbrüder der Drei Ehrengesellschaften (150 je Gesellschaft) zu einer ausgedehnten Mahlzeit, dem Gryffemähli, im Festsaal der Basler Messe zusammen. Die Veranstaltung dauert den ganzen Nachmittag an und ist durch Reden zu aktuellen politischen Themen, musikalischen Darbietungen sowie dem Besuch des Umzuges (im Saal) geprägt.

Ursprung

Der Umzug hat seinen Ursprung in den im Mittelalter stattgefundenen jährlichen Waffenmusterungen der für die Bewachung der Stadtmauer verantwortlichen Ehrengesellschaften. Diese Musterungen endeten jeweils mit einem Marsch durchs Kleinbasel und einer Mahlzeit. Der Vogel Gryff hat also nichts mit der Basler Fasnacht zu tun. Die Ehrengesellschaften sind übrigens keine Zünfte; es ist also möglich, gleichzeitig Mitglied einer Ehrengesellschaft und einer Zunft zu sein.

Die Musterungen wurden bis 1838 durch jede Ehrengesellschaft separat durchgeführt, und zwar zu festen Terminen: Gesellschaft zum Rebhaus am 13. Januar, Gesellschaft zur Hären am 20. Januar und Gesellschaft zum Greifen am 27. Januar. Seit 1839 führen die drei Gesellschaften den Anlass gemeinsam durch, wobei der Termin zwischen den drei Daten rotiert.

Die Anfänge des Brauchs liegen im Dunkeln. Urkundlich belegt ist er zum ersten Mal 1304 in einer Urkunde der Ehrengesellschaft zum Rebhaus, also lange vor der 1392 erfolgten Vereinigung von Kleinbasel und Basel. In einer Chronik von 1597 werden die Umzüge der drei Zeichen Vogel Gryff (Greifen), Wild Maa (Hären) und Leu (Rebhaus) bereits als alter Brauch bezeichnet.

Die Gesellschaften

Der Kern der Gesellschaft zum Rebhaus bestand ursprünglich aus den Kleinbasler Rebleuten, daneben gehörten ihr auch Landwirte und Gärtner an. Das Rebhaus, das der Gesellschaft den Namen gab, ist ihr Stammsitz, den sie 1397 erwarb. Urkundlich erwähnt wird die Gesellschaft zum Rebhaus erstmals 1304. Die Kleinbasler Ehrengesellschaft zum Rebhaus darf nicht verwechselt werden mit der Grossbasler Zunft zu Rebleuten.

Die Gesellschaft zur Hären vereinigte ursprünglich die Jäger und Fischer, später kamen Handwerker und Angehörige des niedrigen Adels dazu. Eine Häre war ein Fangnetz für Kleingeflügel. Das Gesellschaftswappen zeigt eine solche Häre. Das Wort Häre leitet sich wahrscheinlich vom lateinischen «haerere» ab, das «hängen bleiben, stecken bleiben, haften, kleben» bedeutete. Eine andere Erklärungsvariante verweist auf das Adjektiv «hären», aus Haar bestehend, da diese Vogelfallen aus Weidenruten und Rosshaarschlingen bestanden. Urkundlich erwähnt wird die Gesellschaft erstmals 1384 anlässlich des Handwechsels des einstigen Hauses Rheingasse 6.

Die Gesellschaft zum Greifen erwarb 1429 das Haus zum Greifen an der späteren Greifengasse 31, worauf der Hausname zum Greifen dann zum Gesellschaftsnamen wurde. Vorher hiess sie Gesellschaft zum Baum, ebenfalls nach dem Hausnamen des damaligen Stammsitzes. Urkundlich erwähnt wird die Gesellschaft erstmals 1409 im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme am Feldzug zur Eroberung der Festung Istein.

Kinderreime

Vogel Gryff-Wandgemälde (2001) von Freddy Oettli. Riehentorstrasse 27, Basel. Mit dem Schriftzug: Allewyl im kalte Jänner, sinn d' Glaibasler Ehrezaiche draa, denn hüpft dr Leu, danzt stolz dr Gryff und segglet au dr Wildi Maa
Vogel Gryff mit dem Schriftzug: Allewyl im kalte Jänner, sinn d' Glaibasler Ehrezaiche draa, denn hüpft dr Leu, danzt stolz dr Gryff und segglet au dr Wildi Maa

Besungen wird der Vogel Gryff im Kinderreim von Anna Keller[2], den die Basler Kinder in den Kindergärten lernen:

Vogel Gryff

Was glepft? E Schuss! Was mag das sy?
Dert tanzt jo aine uff em Rhy.
E Dannebaimli schwingt er
und ains, zwai, drei verdringgt er.

Nai, nai, das gfallt im Wilde Maa.
D'Kanone gracht. Jetzt kunnt er aa.
E-n-Ueli bättlet Batze.
Dr Lai winggt mit de Datze.

Bym Käppelijoch gumpt stolz und styff
näben Wilde Maa und Lai dr Gryff,
und dausig Basler lache
ab däne-n-alte Sache.

Austragungsdatum

Jahr Datum Wochentag Vorsitz
2020 13. Januar Montag Rebhaus
2021 20. Januar Mittwoch Hären
2022 27. Januar Donnerstag Greifen
2023 13. Januar Freitag Rebhaus
2024 20. Januar Samstag Hären
2025 27. Januar Montag Greifen
2026 13. Januar Dienstag Rebhaus
2027 20. Januar Mittwoch Hären
2028 27. Januar Donnerstag Greifen
2029 13. Januar Samstag Rebhaus
2030 19. Januar1 Samstag Hären
2031 27. Januar Montag Greifen
2032 13. Januar Dienstag Rebhaus
2033 20. Januar Donnerstag Hären
2034 27. Januar Freitag Greifen
2035 13. Januar Samstag Rebhaus
etc.[3]

1Fällt ein Vogel-Gryff-Tag auf einen Sonntag, so wird er auf den Samstag vorverlegt.

Gesellschaft zum Bären

Da Frauen die Mitgliedschaft in den drei Ehrengesellschaften verwehrt war und sie manchen als zu elitär und verschlossen galten, gründeten einige Basler 1998 die Gesellschaft zum Bären und veranstalteten jährlich seit dem Jahr 1999 am 12. Januar den Bärentag. Das Wappentier, der grosse schwarze Bär, soll nach Eigenangabe für das freie, offene und unabhängige Kleinbasel stehen. In einer erfundenen Legende wurde auch direkt Bezug auf den Vogel Gryff genommen.[4][5]

Sonstiges

  • Die drei Figuren und der Ueli sind Namensgeber für die vier Basler Fähren.
  • Rheinaufwärts des Kleinbasel nächsten Pfeilers der mittleren Brücke ist eine nur bei Niedrigwasser sichtbare Skulptur der drei Figuren im Rhein versenkt.
  • Vogel Gryff ist auch der Name einer Kleinbasler Lokalzeitung.[6]
  • 1977 gaben die PTT eine Dauermarke der Serie Volksbräuche heraus.[7]
  • Charles Hindelang schuf 1946 acht Vogel Gryff Temperabilder

Literatur

  • Hans Bühler: Rund um «Café Spitz» und Vogel Gryff. In: Basler Stadtbuch 1968, S. 205–226.
  • Eugen A. Meier: Vogel Gryff: Geschichte und Brauchtum der Drei Ehrengesellschaften Kleinbasels. Litera AG, Basel 1986.
  • Rolf Jeck: Diryff-dyff-dyff – der Vogel Gryff. Buchverlag Basler Zeitung, Basel 1987, ISBN 3-85815-158-0.
  • Migros-Genossenschafts-Bund (Hrsg.): Feste im Alpenraum. Migros-Presse: Zürich 1997, S. 57, ISBN 3-9521210-0-2.
  • Ueli Mäder: Die Gesellschaft zum Bären. In: Basler Stadtbuch 2000, S. 109-111.
  • Emil Schaefer: Vom ‹Vogel Gryff›. In: Basler Jahrbuch 1953, S. 185-198.

Weblinks

Commons: Vogel Gryff – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vogel Gryff in Basel. Abgerufen am 10. Mai 2017.
  2. UB Basel: Basler Literarisches Archiv: Autoren: Keller, Anna. Abgerufen am 10. Mai 2017.
  3. Kalender auf www.vkb.ch (Memento vom 14. Januar 2020 im Internet Archive)
  4. Die Legende. In: Gesellschaft zum Bären. 26. Oktober 2014 (baerengesellschaft.ch [abgerufen am 10. Mai 2017]).
  5. Daniel Gerny: Montagsgesicht: Wie Basler Bären den Vogel Gryff zum Tanzen bringen. In: Neue Zürcher Zeitung. 21. Januar 2013, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 10. Mai 2017]).
  6. «Vogel Gryff»-Zeitung
  7. https://colnect.com/de/stamps/stamp/23007-Vogel_Gryff_Basel-Volksbr%C3%A4uche-Schweiz

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