Als die Höhlenmalereien erst einmal als authentische Produkte der Eiszeitmenschen anerkannt waren, bemühten sich die Prähistoriker bald darum, den Sinn des Ganzen zu verstehen. Abbé Breuil deutete die Eiszeitkunst als ein Medium des Jagdzaubers, ein übernatürliches Mittel, um sicherzustellen, "dass das Wild zahlreich sei, und dass es sich vermehre und dass genügend erlegt werde...."

Das unordentliche Durcheinander der Bilder ließ nach Abbé Breuil darauf schließen, dass sie als Teil einer Reihe von Zeremonien gemalt worden waren, die zur Vorbereitung der Jagd vollzogen wurden. Die geometrischen Muster waren seiner Meinung nach schematische Darstellungen von Fallen und Schlingen. Er glaubte, dass die meisten ausgemalten Höhlen geweihte Örtlichkeiten waren, die nur gelegentlich für Kulthandlungen benutzt wurden. Wie die meisten Prähistoriker seiner Zeit betrachtete er das Leben in der Eiszeit als einen dauernden Kampf um ausreichende Nahrung - daher der Zwang, magische Kräfte zur Hilfe bei der Jagd zu beschwören. Nach Auffassung des Abbè Breuil fiel die Höhlenkunst vor etwa 10.000 Jahren der Vergessenheit anheim, weil mit dem Rückzug des Inlandeises auch die riesigen Herden verschwanden. Das Zeitalter der Eiszeitjäger war dahin, und mit ihnen ihr Zauber.

Diese Auffassung hielt sich bis vor einigen Jahrzehnten. Sie wirft einige ganz bestimmte Probleme auf, von denen nicht das geringste die Frage ist, warum das Rentier als wichtigstes Beutetier der Eiszeitjäger in der Höhlenkunst nur so wenig vertreten ist. Und wenn die Eiszeitkunst wirklich nur Jagdzauber war, wie läßt sich dann erklären, warum nur etwa zehn Prozent der Tiere als erlegt dargestellt sind? Die Entdeckung von Lascaux im Jahre 1940 mit den verhältnismäßig zusammenhängenden Tierfriesen war ein nicht geringer Schlag für die Idee des Abbès, die ja teilweise auf das Durcheinander der Felsbilder gegründet war. Nach Meinung einiger Wissenschaftler zeugen die vielen Bilder von Wisenten und Wildpferden nicht nur einfach von einer künstlerischen Vorliebe für diese Tiere. Sie glauben eine tiefere Bedeutung zu erkennen, die ein bestimmtes Gesellschaftsmodell mit einschließt.

Dieses "Modell" ist der Dualismus zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen, und ihre Behauptung geht dahin, dass männliche und weibliche Darstellungen symbolisch innerhalb jeder Höhle getrennt erscheinen, wodurch eine fundamentale Unterteilung der Welt dargestellt wird. Demnach repräsentiert der Wisent das weiblich Element, das Wildpferd männliche.

Diese Deutung altsteinzeitlicher Kunst ist auf viel Kritik gestoßen, nicht zuletzt wegen der Frage, warum ein männlicher Wisent das weibliche Element, und eine trächtige Stute das männlich Element repräsentieren solle.

Mitte der 1960er Jahre begann Alexander Marshack auf altsteinzeitliche Malereien, Schnitzereien und Ritzzeichnungen Techniken anzuwenden, die bisher niemand voll entwickelt hatte. Er fotografierte die Malereien mit infrarotem und ultraviolettem Licht und untersuchte die Linien und Ritzungen an Knochen und Steinen unter dem Mikroskop, um Anhaltspunkte dafür zu finden, wie diese Objekte behandelt worden waren.

Marshack verursachte kein geringes Aufsehen in akademischen Kreisen, als er verkündete, dass eine Reihe winziger eingravierter Grübchen auf einem 30.000 Jahre alten Knochengerät darauf hindeutete, dass sein eiszeitlicher Besitzer die Schwankungen der Mondzyklen vermerkt hatte. Die Anordnung der Punkte in Schlangenlinien war bisher einfach als Spielerei angesehen worden, aber unter dem Mikroskop stellte Marshack fest, dass zum Einprägen der neunundsechzig Grübchen vierundzwanzig verschiedene Werkzeuge benützt worden waren. Daraus ergab sich klar, dass die Pünktchen nicht auf einmal, sondern über eine gewisse Zeitspanne verteilt angebracht worden waren. Er stellte darüber hinaus fest, dass die Anordnung der Windungen der eingeritzten "Schlange" mit den Schwankungen der Mondphasen übereinstimmte. Dieser Gedanke ist und bleibt eine kühne Herausforderung an die Welt der Wissenschaft.

Einer der von Marshack untersuchten Gegenstände is u. a. ein Abschnitt der Geweihsprosse eines Rentiers die in der Höhle von Montgaudier in Südwestfrankreich gefunden wurde. Seit ihrer Endeckung in den 1880er Jahren hatte man die Abbildung verschiedender Lebewesen darauf als Jagdzauber angesehen. Aber auch hier eröffneten Marshacks ins einzelne gehende Beobachtungen andere Deutungsmöglichkeiten. Die Geweihsprosse zeigt die Bilder eines männlichen Seehunds und eines kleineren weiblichen Seehunds in allen Einzelheiten. Unmittelbar daneben ist ein Lachs, dessen Unterkiefer jene Art von Haken aufweist, wie ihn die Männchen bei ihrer Wanderung stromaufwärts zu den Laichplätzen zeigen. Links von dem Lachs erkennt man drei Linien, die die Archäologen für Harpunen gehalten hatten, die aber Marshacks Untersuchungen als Stiele mit Blättern ausweisen; wären sie Widerhaken von Harpunen, dann wären sie in die falsche Richtung geneigt. Über dem weiblichen Seehund blüht eine kleine Blume. Neben dem männlichen Seehund befinden sich drei rätselhafte Wesen, die angeblich vielbeinige Wassertiere darstellen. Zwei Schlangen mit deutlich sichtbaren Geschlechtsteilen liegen beinahe umeinandergeringelt. Schließlich erscheint ein von vorn abgebildeter, stilisierter Steinbockkopf mit einem Kreuz über der Stirn, was alles nur unter dem Mikroskop klar erkennbar ist. die Ritzzechnung ist hervorragend und setzt sich ringsherum um die runde Oberfläche der Geweihsprosse fort.

»Ich sehe den Kommandostab von Montgaudier klar als eine jahreszeitliche Komposition«, sagt Marshack. »Die Seehunde sind bereit zur Paarung, und dasselbe gilt für die Schlangen und den Lachs. Die Blume ist in voller Blüte. Es ist interresant, die sehr realistische Wiedergabe der meisten Tiere mit dem weithehend stilisierten Steinbock zu vergleichen, der meiner Meinung nach mit dem Kreuz symbolisch getötet wurde. Die Ritzzeichnung läßt mich an einen Akt des Tötens denken, nicht zur Nahrungsbeschaffung, sondern als eine symbolhandlung, die sich auf die Ankunft des Frühlings bezieht.«


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