Coppa Nevigata

Coppa Nevigata ist der Name eines archäologischen Fundorts, etwa neun Kilometer südwestlich von Manfredonia, in der Provinz Foggia der italienischen Region Apulien. Hier wurde eine vor allem während der italischen Bronzezeit bedeutende befestigte Siedlung entdeckt, die auch weiterhin archäologisch erforscht wird. Sie war von mindestens ca. 1800 v. Chr. bis zum Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. kontinuierlich bewohnt und findet in der Forschung vor allem wegen der zahlreichen entdeckten Purpurschneckenhäuser Beachtung, die eine sehr frühe Purpurgewinnung wahrscheinlich machen. Auch liefert die Siedlung den bisher ältesten Beleg für die Herstellung von Olivenöl in Italien.

Lage

Die Siedlung befand sich auf einer leichten Anhöhe an einer ausgedehnten Lagune in Küstennähe, im Bereich der Mündung des Flusses Candelaro, etwa neun Kilometer südlich der heutigen Stadt Manfredonia. Heute liegt der Ort etwa sieben Kilometer von der Küste entfernt.

Forschungsgeschichte

Erste Ausgrabungen fanden bereits zwischen 1904 und 1909 unter der Leitung von Quintino Quagliati bzw. Angelo Mosso statt, nachdem man bei Arbeiten zur Trockenlegung des Gebiets 1903 zufällig auf vorgeschichtliche Artefakte stieß. Während der Ausgrabungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der gesamte obere Teil des Siedlungshügels abgetragen – nicht nur durch die Archäologen, sondern auch weil die Arbeiten des staatlichen Bauamts zur Entwässerung während der Forschungen fortgesetzt wurden. Dadurch wurden die Schichten der Endbronze- und frühen Eisenzeit fast vollständig vernichtet.[1] Die Auswertungen und Funde der damaligen Grabungskampagnen wurden nicht oder nur unzureichend publiziert, weshalb sie fast 100 Jahre später Clarissa Belardelli unter Zuhilfenahme von Archivmaterial und Einschluss von Funden, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Ausgräbern und auch Raubgräbern verschiedenen italienischen Museen gespendet wurden, aufarbeitete. Ihre Ergebnisse veröffentlichte sie 2004. Zwischen 1955 und 1975 erfolgten intensive archäologische Erforschungen des Gebiets unter der Leitung von Salvatore M. Puglisi, die von 1983 bis 1996 und ab den frühen 2000ern fortgesetzt wurden und bis heute weiterlaufen, zunächst (bis 1985) unter Puglisi, nach dessen Tod unter der Leitung von Alberto Cazzella, Maurizio Mosoloni und Giulia Recchia.

Siedlungsgeschichte

Einzelne Funde stammen bereits aus dem Frühneolithikum. Dem fortgeschrittenen Neolithikum und der frühen Kupferzeit lassen sich bereits mehrere Siedlungsschichten zuordnen. Die erste sicher nachweisbare ständige Siedlung bestand in der Frühen Bronzezeit, im 19./18. Jahrhundert v. Chr. Sie war wahrscheinlich unbefestigt und wurde durch einen Brand zerstört. Um die nachfolgende Siedlung wurde ca. 1700 v. Chr. (im Proto-Apenninikum) erstmals eine Wehrmauer aus Trockenmauerwerk errichtet. Diese hatte eine Stärke von über fünf Metern und Tore, die von Wehrtürmen flankiert wurden. Im späten 16. Jahrhundert v. Chr. wurde Coppa Nevigata deutlich erweitert; es sind bisher allerdings keine Spuren einer neuen Wehrmauer aus dieser Phase entdeckt worden. Erst während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts v. Chr. (zu Beginn des Apenninikums) wurde eine neue Mauer errichtet. Sie war wieder in Trockenstein-Bauweise gefertigt, die Lücken zwischen den Steinen wurden durch Kalkerde aufgefüllt. Von dieser, wie auch von einer späteren, um 1400 v. Chr. errichteten Wehrmauer sind nur noch spärliche Reste erhalten. Während des Apenninikums (15.–14. Jahrhundert v. Chr.) wurde auch ein Graben vor der Mauer ausgehoben, der offenbar auch noch im 13. Jahrhundert existierte, als die Wehrmauer nicht mehr genutzt wurde. Er wurde erst zu Beginn der Eisenzeit (um 1000 v. Chr.) zugeschüttet.

Während der subapenninischen Zeit wurden Gebäude zur Produktion und Weiterverarbeitung, wie die wahrscheinlichen Purpurgewinnungsanlagen, die zuvor außerhalb der Befestigungen lagen, aufgegeben und teilweise in den geschützten Teil der Siedlung verlegt.

Purpurgewinnung und Olivenölproduktion

Besondere Beachtung findet Coppa Nevigata in der Forschung wegen über 50.000 gefundener Reste von Meeresschneckenhäuser und Muschelschalen, bei denen Purpurschneckenhäuser mit 87,1 % den weitaus größten Anteil stellen. Diese stammen fast ausschließlich von der Art Murex trunculus. Auffällig ist bereits eine gewisse Häufung ab dem 18. Jahrhundert v. Chr. Ab ca. 1500 v. Chr. sind die Fragmente von Purpurschneckenhäusern so zahlreich, dass in der Forschung eine Purpurproduktionsstätte ab spätestens dieser Zeit für sehr wahrscheinlich gehalten wird. Die mit großem Abstand größte Zahl der Funde (ca. 95 %) datiert in die fortgeschrittene Phase der Apenninischen Kultur (bzw. mittlere Bronzezeit, ca. 15./14. Jahrhundert v. Chr.), doch gibt es noch Funde aus der Spätbronzezeit (ca. 1,6 %). Insgesamt stammen ca. 95 % der in Coppa Nevigata ans Licht gekommenen Murex-Schneckenhäuser aus der mittleren Bronzezeit.[2]

In Coppa Nevigata wurde ferner die früheste in Italien bisher bekannte Extraktion aus Oliven zu Olivenöl nachgewiesen, die ins 19./18. Jahrhundert v. Chr. datiert.[3]

Handelsbeziehungen

Im Gegensatz zu einigen südlicheren Fundorten in Apulien, z. B. Roca Vecchia, sind Funde ostmediterraner Herkunft in Coppa Nevigata bis ins 14. Jahrhundert v. Chr. äußerst selten,[4] auch wenn es Hinweise auf Beziehungen mit der Ägäis seit der ersten befestigten Siedlung gibt.[5] Die Situation ändert sich im 13./12. Jahrhundert, als vermehrt drehscheibengefertigte, in mykenischem Stil bemalte Keramik auftritt, die aber lokal produziert wurde (sogenannte italomykenische Keramik).[6] Sie entspricht stilistisch zumeist der SH-III C-Keramik Griechenlands, die ins 12. Jahrhundert v. Chr. datiert. Es überwiegen hierbei geschlossene Gefäßformen, jedoch kam auch eine nicht unerhebliche Zahl an Fragmenten offener Gefäßformen ans Licht.[7] Es überwiegen allerdings weiterhin italische Tongefäße, die im 12. Jahrhundert im subapenninischen Stil (Impastokeramik) gefertigt sind; auch tritt (italische) graue Ware, sogenannte pseudo-mynische Keramik, auf.[8]

Literatur

  • Angelo Mosso: Stazione preistorica die Coppa Neveigata presso Manfredonia. Monumenti antichi 19, 1909, S. 305–396.
  • S. M. Cassano, Alberto Cazzella, A. Manfredini, M. Moscoloni (Hrsg.): Coppa Nevigata e il suo territorio. Testimonianze archeologiche dal VII al II millennio a.C. Quasar, Rom 1987. ISBN 9788885020825
  • Paolo Boccuccia: Ricerche nell’area sud-orientale di Coppa Nevigata. In: Taras 15 (1995), S. 153–174. Onlineversion
  • Alberto Cazzella, Maurizio Moscoloni: Coppa Nevigata. Un insediamento fortificato dell’ età del Bronzo. In: Luciana Drago Troccoli (Hrsg.): Scavi e ricerche archeologiche dell’Università di Roma “La Sapienza”, L’erma di Bretschneider, Rom 1998, S. 178–183.
  • John Evans – Giulia Rechhia: Pottery Function. Trapped Residues in Bronze Age Pottery from Coppa Nevigata (Southern Italy). In: Scienze dell’Antichità, 11, 2001–2003, 2003, S. 187–201.
  • Claudia Minniti: Shells at the Bronze Age settlement of Coppa Nevigata (Apulia, Italy). In: Daniella E. Bar-Yosef Mayer (Hrsg.): Proceedings of the 9th Conference of the International Council of Archaeozoology, Durham, August 2002., Oxbow Books, Oxford 2005, S. 71–81. online bei Academia.edu
  • Clarissa Belardelli: Coppa Nevigata. Materiali da scavi e rinvenimenti 1903-1909. All’Insegna del Giglio, Florenz 2004, ISBN 978-88-7814-249-7.
  • Alberto Cazzella, Claudia Minniti, Maurizio Moscoloni, Giulia Recchia: L’insediamento dell’età del Bronzo di Coppa Nevigata (Foggia) e la più antica attestazione della produzione della porpora in Italia. Preistoria Alpina 40, 2004, S. 177–182. Online als PDF
  • Alberto Cazzella – Maurizio Moscoloni – Giulia Recchia: Coppa Nevigata. In: Francesca Radina – Giulia Recchia (Hrsg.): Ambra per Agammennone. Indigeni e Micenei tra Adriatico, Ionio ed Egeo. Adda, Bari 2010, S. 169–175. online bei Academia.edu

Weblinks

Artikel und Video zu Coppa Nevigata auf der offiziellen Website von Manfredonia

Anmerkungen

  1. Belardelli 2004, S. 155f. (deutsche Zusammenfassung)
  2. s. Claudia Minniti: Shells at the Bronze Age settlement of Coppa Nevigata (Apulia, Italy). In: Daniella E. Bar-Yosef Mayer (Hrsg.): Proceedings of the 9th Conference of the International Council of Archaeozoology, Durham, August 2002., Oxbow Books, Oxford 2005, Tabelle S. 73.
  3. John Evans – Giulia Rechhia: Pottery Function. Trapped Residues in Bronze Age Pottery from Coppa Nevigata (Southern Italy). In: Scienze dell’Antichità, 11, 2001–2003, 2003, S. 187–201.
  4. Clarissa Bernadelli: Aegean type pottery from Coppa Nevigata, Apulia.In: Carol Zerner, Peter Zerner, John Wider (Hrsg.) Proceedings of the International Confernce, Wace and Blegen. Pottery Evidence for trade in the Aegaean Bronze Age, 1939–1989, Held at the American School of Classical studies at Athens. Athens December 2–3 1989. J. C. Gieben, Amsterdam 1993, S. 347ff.
  5. Claudia Minniti: Shells at the Bronze Age settlement of Coppa Nevigata (Apulia, Italy). In: Daniella E. Bar-Yosef Mayer (Hrsg.): Proceedings of the 9th Conference of the International Council of Archaeozoology, Durham, August 2002., Oxbow Books, Oxford 2005, S. 71.
  6. Alberto Cazzella – Maurizio Moscoloni – Giulia Recchia: Coppa Nevigata. In: Francesca Radina – Giulia Recchia (Hrsg.): Ambra per Agammennone. Indigeni e Micenei tra Adriatico, Ionio ed Egeo. Adda, Bari 2010, S. 175
  7. Gert Jan van Wijngaarden: Use and appreciation of Mycenaean Pottery in the Levant, Cyprus and Italy (1600-1200 BC). Amsterdam University Press, 2002, ISBN 90-5356-482-9, S. 253.
  8. Gert Jan van Wijngaarden: Use and appreciation of Mycenaean Pottery in the Levant, Cyprus and Italy (1600-1200 BC). Amsterdam University Press, 2002, ISBN 90-5356-482-9, S. 251.

Koordinaten: 41° 33′ 29″ N, 15° 50′ 2″ O

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