Baktrische Münzen

Die baktrischen Münzen sind eine bedeutende Quelle für die Geschichte Baktriens, einer historischen Landschaft, die größtenteils im modernen Staatsgebiet von Afghanistan liegt. Angefangen mit dem Indienfeldzug Alexanders des Großen lässt sich hier über rund 300 Jahre eine griechische Präsenz in Zentralasien nachvollziehen. Die nachfolgende Reiche der Kuschana und Kidariten führten in ihrer Münzprägung eine baktrische ikonographische Tradition weiter, während die Hephthaliten Münzen des Sassanidenreichs kopierten.

Griechisch-baktrische Münzen

Die griechisch-baktrische Währung wurden nördlich des Hindukusch (im Tal des Oxus und Sogdien) gebraucht. Die Prägungen folgten dem attisch-seleukidischen Standard, es gab Tetradrachmen, Drachmen, Hemidrachmen und Obolen sowie Goldstater und verschiedene Kleinmünzen aus Bronze. Die Inschriften waren griechisch.[1]

Der Münzstätte Aï Khanoum (Baktrien) zugeordnete Prägungen (Beispiele)
Bild Datum Nominale Metall Vorderseite Rückseite Literatur
Seleucus Nicator Ai Khanoum mint.jpg 285–281 v. Chr. (Seleukos I. Nikator) Hemidrachme Silber Kopf des Zeus mit Lorbeerkranz nach rechts Athene mit Speer und Schild auf einer von Elefanten gezogenen Biga Seleucid Coins Online (part 1) 278
Antiochos I Tetradrachm 620447.jpg 280–261 v. Chr. (Antiochos I. Soter) Tetradrachme Silber Herrscherbildnis mit Diadem nach rechts Apollon auf Omphalos sitzend, zwei Pfeile prüfend, während die andere Hand auf dem Bogen ruht Seleucid Coins Online (part 1) 437
Antiochos II Theos Ai Khanoum mint.jpg 261–256 v. Chr. (Antiochos II. Theos) Stater Gold Herrscherbildnis mit Diadem nach rechts Apollon auf Omphalos sitzend, einen Pfeil prüfend, während die andere Hand auf dem Bogen ruht Seleucid Coins Online (part 1) 616

Die französische Mission unter Leitung von Paul Bernard fand im Oktober 1973 in Aï Khanoum einen Schatz von 63 Tetradrachmen. Er ermöglichte es, die Siedlungsgeschichte dieser hellenistischen Stadt am Oxus zu schreiben und lieferte weitere Informationen zum Königreich der Euthymeniden.

Im folgenden Winter entdeckte ein afghanischer Bauer einen weit größeren Münzschatz im Bereich der archäologischen Stätte Aï Khanoum, der in Kabul auf den Antikenmarkt gebracht wurde und ohne wissenschaftliche Untersuchung zerstreut wurde.[2] Münzen aus diesem Hort tauchten in europäischen und amerikanischen Städten im Handel auf. Zwei Jahre nach dem Fund wurde ein Teil dieses Schatzes in New York City angeboten, und Nancy M. Waggoner (American Numismatic Society) fertigte ein provisorisches Inventar an. Claire-Yvonne Petitot-Biehler publizierte diese Liste 1975. Ähnlichkeiten mit dem von Archäologen in Aï Khanoum geborgenen Münzschatz legten einen Zusammenhang nahe. Es zeigte sich, welches Schicksal ein Münzschatz hat, der über längere Zeit von Händler zu Händler wandert: Nicht nur wurde er aufgeteilt, es wurden auch nach Waggoners Inventarisierung besonders hochwertige Münzen entnommen und geringwertige Münzen, mutmaßlich Streufunde, hinzugefügt. Außerdem wurden zwei moderne Fälschungen erkannt.[3]

Indo-griechische Münzen

Die indo-griechische Währung wurde südlich des Hindukusch verwendet. Die Inschriften waren zweisprachig: griechisch auf der Vorderseite und Kharoshthi-Schrift oder Brahmi-Schrift auf der Rückseite. Tetradrachmen, Drachmen und Hemidrachmen folgten lokalem indischem Gewichtsstandard. Die rechteckigen Bronzemünzen zeigten unter anderem Bilder hinduistischer Gottheiten. Jüngere Tetradrachmen und Drachmen sind ebenfalls rechteckig.[1]

Bild Datum Metall Vorderseite Rückseite
Agathokles Lakshmi and Lion Indian standard coin.jpg um 190–180 v. Chr. (Agathokles) Legierung Göttin Subhadra mit Blume in der Hand, nach links schreitend. Brahmi-Inschrift Panther nach rechts. Griechische Inschrift. British Museum: Coin,1844,0909.61
Apollodotus bull with nandipada.jpg um 180–170 v. Chr. (Apollodotos I.) Silber Elefant nach rechts, dreiseitige griechische Inschrift Buckelrind, dreiseitige Kharoshthi-Inschrift British Museum: Coin,1838,EIC.30
BilingualCoinOfEucratides.jpg um 174–145 v. Chr. (Eukratides I.) Kupferlegierung Herrscherbildnis mit Helm nach rechts, griechische Inschrift Dioskuren zu Pferde mit Speeren und Palmzweigen, Kharoshthi-Inschrift British Museum: Coin,IOLC.220

Der Münzfund von Kundus, der 1946 bei Khisht Tepe entdeckt und im Folgejahr dem Nationalmuseum Kabul übergeben wurde, enthielt Münzen nach attischem Standard und mit rein griechischen Inschriften, die von indo-griechischen Herrschern geprägt wurden, welche durch zweisprachige Münzen bekannt waren und deren Herrschaftsgebiet südlich des Hindukusch lokalisiert wird. Seitdem sind wiederholt gräko-baktrische Münzprägungen indo-griechischer Herrscher gefunden worden; für dieses Phänomen werden verschiedene Erklärungen vorgeschlagen. Osmund Bopearachchi schließt aus, dass es sich dabei um Prestigeobjekte handelte. Er bleibt unentschieden zwischen zwei Optionen: dass es Handelsbeziehungen zwischen Gräkobaktriern und ihren Nachbarn südlich des Hindukusch gab – oder dass letztere ihren Nachbarn, die den attischen Münzfuß verwendeten, Tribut zahlten.[4]

Münzen des Kuschan-Reichs

Der Zweite Münzhort von Mir Zakah, 1992 nahe dem Dorf Mir Zakah im Nordosten Afghanistans entdeckt, gilt mit rund 550.000 Stücken als größter antiker Münzschatz. Er dokumentiert, wie die griechisch-baktrische und indogriechische Münzprägung die Münzen des Kuschanreiches beeinflussten.[1]

Für die Herrscherbildnisse auf den Münzen der Kuschana wurde römischer Einfluss vermutet, d. h. Spezialisten aus dem Mittelmeerraum arbeiteten in den Münzstätten der Kuschana oder führten dort die Aufsicht. Fabrizio Sinisi schlägt dagegen vor, dass das griechisch-baktrische Erbe als regionale ikonographische Tradition weiterwirkte. Elemente der königlichen Kleidung, wie die konische Kopfbedeckung, wurden wahrscheinlich aus dem Partherreich entlehnt. Weder in der parthischen noch in der kuschanischen Ikonographie sieht Sinisi eine „nomadische“ Tradition.[5]

Bild Datum Nominale Metall Vorderseite Rückseite Literatur
Heraios coin.jpg 1. Jahrhundert n. Chr. („Heraios“) Tetradrachme Silber Herrscherbildnis mit Diadem nach rechts Herrscher in Reiterkleidung zu Pferde, hinter ihm geflügelte Nike [6]
Coin of the Kushan king Kujula Kadphises.jpg um 30–80 n. Chr. (Kujula Kadphises) Tetradrachme Kupfer Herrscherbüste mit Diadem nach rechts Herakles mit Keule und Löwenfell [7]
Kushan Empire Vima Kadphises Circa CE 100-127.jpg um 90–100 n. Chr. (Vima Kadphises) Denar Gold Herrscherbüste mit Diadem nach rechts, eine Keule auf der Schulter tragend, der Umhang auf der Schulter mit einer Spange befestigt [8]
Vasudeva I Circa CE 190-230 Oesho reverse.jpg um 191–220 n. Chr. (Vasudeva I.) Denar Gold Am Altar stehender Herrscher in Rüstung, konische Kopfbedeckung, einen Speer in der Hand Iranischer Gott Oescho, vor einem Stier stehend [9]

Münzen der Kidariten

Golddenar Wahrams I.

Die Kidariten, ein Stammesverband der sogenannten iranischen Hunnen, wurden um 400 in Baktrien sesshaft, die Hauptstadt ihres Reichs war Balch. Mit ihrer Münzprägung stellten sich die Kidariten in die Tradition der Kuschana.

Ein Beispiel: Der in Balch geprägte goldene Denar eines Sassanidenkönigs namens Bahram (4. Jahrhundert n. Chr., Foto)[10] zeigt den Herrscher in seiner Rüstung am Altar opfernd; dies entspricht dem Herrscherbildnis auf den jüngeren Münzen der Kuschana (siehe zum Beispiel oben: Vasudeva I.). Auf der Rückseite sieht man die Gottheit Oescho vor einem Stier. Die Inschriften sind in baktrischer Sprache.[11]

Münzen der Hephthaliten

Hephthalitische Silberdrachme, frühes 7. Jahrhundert. Imitation einer Münze des Sassanidenkönigs Chosrau II. Inschrift in Pehlevi.

Auch die Hephthaliten waren ein Stammesverband der „iranischen Hunnen“. Nach ihrem Sieg über den Sassanidenherrscher Peroz im Jahr 467 kontrollierten sie Baktrien und begannen mit einer eigenen Münzprägung in Balch. Dabei orientierten sie sich an sassanidischen Prägungen, die sie als Tribut oder Beute erhalten hatten und, mit eigenen Kontermarken gestempelt, auch benutzten. Die große Ähnlichkeit der ersten hephthalitischen Münzen zu den sassanidischen Originalen lässt vermuten, dass gefangene sassanidische Spezialisten für sie arbeiteten.[12]

Literatur

  • Rémy Audouin, Paul Bernard: Trésor de monnaies indiennes et indo-grecques d’Aï Khanoum (Afghanistan) I. Les monnaies indiennes. In: Revue Numismatique 15 (1973), S. 238–289. (Online)
  • Rémy Audouin, Paul Bernard: Trésor de monnaies indiennes et indo-grecques d’Aï Khanoum (Afghanistan) II. Les monnaies indo-grecques. In: Revue Numismatique 16 (1974), S. 6–41. (Online)
  • Paul Bernard, Olivier Guillaume: Monnaies inédites de la Bactriane grecque à Aï Khanoum (Afghanistan). In: Revue Numismatique 22 (1980), S. 9–32. (Online)
  • Osmund Bopearachchi: Monnaies gréco-bactriennes et indo-grecques, catalogue raisonné. Bibliothèque nationale de France, Paris 1991.
  • Frank Holt: The Euthydemid Coinage of Bactria: Further Hoard Evidence from Aï Khanoum. In: Revue Numismatique 23 (1981), S. 7–44 (Online).
  • Oliver D. Hoover: Handbook of Coins of Baktria and Ancient India, Including Sogdiana, Margiana, Areia, and the Indo-Greek, Indo-Skythian, and Native Indian States South of the Hindu Kush, Fifth Century Centuries BC to First Century AD (= The Handbook of Greek Coinage Series. Band 12). Classical Numismatic Group, Lancaster/London 2013.
  • Peter Franz Mittag: Methodologische Überlegungen zur Geschichte Baktriens: Könige und Münzen. In: Schweizerische Numismatische Rundschau 85 (2006), S. 27–46.
  • Claire-Yvonne Petitot-Biehler, Paul Bernard: Trésor de monnaies grecques et gréco-bactriennes trouvé à Aï Khanoum (Afghanistan). In: Revue Numismatique 17 (1975), S. 23–69. (Online)

Weblinks

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Anmerkungen

  1. 1,0 1,1 1,2 Münzsammlung der Universität Bonn: Baktrien.
  2. Frank Holt: The Euthydemid Coinage of Bactria: Further Hoard Evidence from Aï Khanoum, 1981, S. 8.
  3. Frank Holt: The Euthydemid Coinage of Bactria: Further Hoard Evidence from Aï Khanoum, 1981, S. 8–11.
  4. Osmund Bopearachchi: Graeco-Bactrian Issues of Later Indo-Greek Kings. In: The Numismatic Chronicle 150 (1990), S. 79–103, Zusammenfassung S. 103.
  5. Fabrizio Sinisi: Royal Imagery on Kushan Coins: Local Tradition and Arsacid Influences. In: Journal of the Economic and Social History of the Orient 60/6 (2017), S. 818–927, besonders S. 914ff.
  6. Fabrizio Sinisi: Royal Imagery on Kushan Coins: Local Tradition and Arsacid Influences. In: Journal of the Economic and Social History of the Orient 60/6 (2017), S. 818–927, hier S. 824.
  7. Fabrizio Sinisi: Royal Imagery on Kushan Coins: Local Tradition and Arsacid Influences. In: Journal of the Economic and Social History of the Orient 60/6 (2017), S. 818–927, hier S. 827.
  8. Fabrizio Sinisi: Royal Imagery on Kushan Coins: Local Tradition and Arsacid Influences. In: Journal of the Economic and Social History of the Orient 60/6 (2017), S. 818–927, hier S. 828.
  9. Fabrizio Sinisi: Royal Imagery on Kushan Coins: Local Tradition and Arsacid Influences. In: Journal of the Economic and Social History of the Orient 60/6 (2017), S. 818–927, hier S. 847.
  10. Die Namensnennung in der Fotobeschreibung ist allerdings inkorrekt, da Bahram I. im späten 3. Jahrhundert regierte.
  11. Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien: Die Kidariten in Baktrien
  12. Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien: Die Hephthaliten in Baktrien

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