Über 18.000 Funde: Forschungsgrabung in Untermaßfeld abgeschlossen

Presseldung vom 20.01.2021

Seit vier Jahrzehnten wird in der thüringischen Wirbeltierfundstelle Untermaßfeld regelmäßig ausgegraben. Bis heute wurden dort über 18.000 Fossilien – vom Nashornschädel bis zum winzigen Froschskelett – in 127 Grabungsmonaten geborgen. Im neu erschienenen, vierten Band der Monographie „The Pleistocene of Untermassfeld near Meiningen“ werden zahlreiche neue Forschungsergebnisse zu den Funden veröffentlicht. Darunter befindet sich der weltweit älteste Nachweis von Yaks, ein neu beschriebener, kompletter Nashornschädel und sogar Fraßspuren von Speckkäferlarven, die Rückschlüsse auf die Ablagerungsgeschichte des einstigen Leichenfeldes erlauben.


18.250 katalogisierte Funde, bestehend aus Serien und Einzelpräparate, alle sorgsam aufbewahrt in eigens dafür hergestellten Sammlungsschränken – dies ist das Ergebnis der Grabungen in der Fossilfundstelle Untermaßfeld. „Nach 127 Grabungsmonaten und 37 Grabungsperioden schließen wir unsere Aktivitäten in dieser außergewöhnlichen und wissenschaftlich hochspannenden Fundstelle – zumindest vorerst – ab“, erklärt Prof. Dr. Ralf-Dietrich Kahlke von der Senckenberg Forschungsstation für Quartärpaläontologie in Weimar und fährt fort: „Seit 1979 wird in der etwa eine Million Jahre alten Fundstelle kontinuierlich gegraben. Untermaßfeld ist hiermit die langandauerndste paläontologische Grabung Europas und wohl auch eine der fundreichsten weltweit!“


Durch Überschwemmungen wurden tausende Skelettelemente ertrunkener Säugetiere an der heutigen Fundstelle Untermaßfeld zusammen gespült.

Publikation:


Ralf-Dietrich Kahlke (Ed.)
The Pleistocene of Untermassfeld near Meiningen (Thüringen, Germany) Part 4
Monographien des RGZM, Band 40, 4, 1. Auflage 2020


Die Grabungsbilanz ist überwältigend: 14.291 katalogisierte Funde von Großsäugetieren, über 7000 Kleinwirbeltierfossilien und 99 „in situ“-, also in der Original-Fundlage konservierte, Präparate von Groß- und Kleinwirbeltieren stammen aus Untermaßfeld. Der Weimarer Quartärpaläontologe hebt die Bedeutung der Fundstelle hervor: „In Untermaßfeld sind 250 Funde pro Quadratmeter keine Seltenheit. Insgesamt sind mehr als 1000 Schubfächer in unseren Sammlungen mit Fossilien aus der Fundstelle im thüringischen Werratal gefüllt. Die Funde werden seit 42 Jahren präpariert, fotografiert, gezeichnet und dokumentiert – so stehen sie auch für nachfolgende Generationen zur Verfügung!“

49 Forschungsprojekte, die in Untermaßfeld durchgeführt wurden, führten zu wissenschaftlichen Publikationen in internationalen Fachjournalen. Zwölf dieser Studien finden sich in dem neu erschienenen Band „The Pleistocene of Untermassfeld near Meiningen (Thüringen, Germany)“, welcher gemeinsam mit dem Römisch Germanischen Zentralmuseum – Leibniz Forschungsinstitut für Archäologie (RGZM) veröffentlicht wurde. „Der vierte Teil unserer Monographie enthält eine Darstellung der Forschungsgeschichte Untermaßfelds von 1997 bis 2015, neue Ergebnisse zur geologischen Entwicklung des Werratals im Raum des fundreichen Fossilvorkommens, zum Entstehungsmechanismus der ungewöhnlichen Knochenanreicherung, sowie zur absoluten Altersstellung der Funde. Zudem gibt es zahlreiche neue Forschungsergebnisse zu den verschiedenen fossilen Tiergruppen“, beschreibt Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser, Leiterin des Archäologischen Forschungszentrums und Museums für menschliche Verhaltensevolution MONREPOS am RGZM, das Werk.

Titelbild des vierten Bandes der Monographie „The Pleistocene of Untermassfeld near Meiningen“.

Fraßspuren an den fossilen Knochenoberflächen, die von Speckkäferlarven stammen, lassen beispielsweise Rückschlüsse auf die Jahreszeit zu, in welche die Fundstelle einst entstand. Kahlke erläutert: „Der Entwicklungszyklus der Larven dieser Käfer endet im Spätsommer. Knochen mit entsprechenden Fraßspuren müssen demnach später im Jahr, im Herbst oder Winter, abgelagert worden sein. Wir gehen davon aus, dass die Fossilfundstelle durch mehrere, heftige Überschwemmungen während der Wintermonaten entstand, in denen sich hunderte von Tierkadavern, Teile davon, sowie Einzelknochen an einem Hindernis – einem Schlammstrom – auf relativ kleinem Raum sammelten. Dort wurden sie schnell von Flusssanden abgedeckt und erhalten. Scheinbar kleine Details, wie Löcher in den fossilen Knochen, helfen uns unser Bild von Untermaßfeld zu vervollständigen!“ Fossilien von Amphibien und Reptilien dienen als „Klimaparameter“ und zeigen, dass es zur Zeit der Ablagerung im Jahresdurchschnitt etwa 5 Grad wärmer als heute war.

Zur ohnehin größten europäischen Sammlung fossiler Hornträger (Boviden) zählen nun auch 2.300 beschriebene Funde, die frühen Vorfahren heutiger Yaks zugeordnet werden können. Die Wissenschaftlerin Maia Bukhsianidze vom Georgischen Nationalmuseum in Tiflis hat damit die bislang ältesten bekannten Yaks weltweit beschrieben. Es ist zusätzlich der westlichste Nachweis dieser Rinderart. Heutige Yaks leben ausschließlich im asiatischen Hochgebirge, dessen Klima sich maßgeblich von den Temperaturen Untermaßfelds vor einer Million Jahren unterscheidet. Diese Funde helfen laut Bukhsianidze die Evolution der Yaks signifikant besser zu verstehen.

„Auch bei den fossilen Nashörnern gibt es Neuigkeiten: Wir haben den Schädel eines ausgewachsenen, aber ausgesprochen zierlichen, Weibchens präpariert und beschrieben. Damit wächst unsere Nashornsammlung auf Nachweise von 36 Einzelindividuen, eine überaus stattliche Anzahl von Tieren“, sagt Kahlke und resümiert: „Die Fossilfundstelle Untermaßfeld ist global einzigartig für die Zeit vor gut einer Million Jahre und birgt immer wieder Überraschungen – daher ist auch bereits ein fünfter Band, welcher die Monographien-Reihe abschließen wird und die Gesamtfundsituation mit detaillierten Grabungsplänen zeigt, in Arbeit!“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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