Fenster in die Vergangenheit

Presseldung vom 18.06.2018

Forschende analysieren uralte menschliche DNA aus Südostasien. Neueste Analysen ganzer Genome uralter menschlicher DNA aus Südostasien haben gezeigt, dass es im Laufe der letzten 50.000 Jahre mindestens drei große Migrationsströme in diese Region gab. Ein internationales Team unter der Leitung von Forscherinnen und Forschern der Harvard Medical School und der Universität Wien um den Anthropologen Ron Pinhasi extrahierte die DNA aus den sterblichen Überresten von 18 Personen, die vor ungefähr 1.700 bis 4.100 Jahren im heutigen Vietnam, Thailand, Myanmar und Kambodscha lebten. Ihre Ergebnisse wurden nun in Science veröffentlicht.


Die Forschungsgruppe fand heraus, dass bereits vor 45.000 Jahren die ersten Menschen in die Region immigrierten und zu Jägern und Sammlern wurden. In der Jungsteinzeit vor rund 4.500 Jahren gab es einen starken Zustrom von Menschen aus China, die landwirtschaftliche Praktiken nach Südostasien brachten und sich unter die dort ansässigen Jäger und Sammler mischten.

Die neue Publikation beleuchtet einen weiteren wichtigen Aspekt in der Geschichte der weltweiten Bevölkerungsdynamik. Sie schließt damit an zahlreiche europäische Studien zu uralter DNA sowie zunehmenden Forschungsaktivitäten im Nahen Osten, Zentralasien, den pazifischen Inseln und Afrika an. "Wir haben heutzutage die Möglichkeit, einen sehr wichtigen Teil der Welt anhand von Analysen uralter DNA zu erforschen", so Mark Lipson, Postdoc-Fellow im Labor von David Reich an der Harvard Medical School und Erstautor dieser Studie. "Es öffnet ein Fenster zur genetischen Herkunft der Menschen, die in der Vergangenheit dort lebten und derer, die noch heute dort leben".


Bei Ausgrabungen im Jahr 2007 wurden bei Man Bac, Vietnam, alte menschliche Überreste gefunden. Die DNA aus den Skeletten ist Inhalt der aktuellen Studie.

Publikation:


Mark Lipson et al.
Ancient genomes document multiple waves of migration in Southeast Asian prehistory
Science 17 May 2018: eaat3188

DOI: 10.1126/science.aat3188



Heutige Menschen mit diesem Erbgut sprechen zumeist austroasiatische Sprachen. Die Forschenden schließen daraus, dass die aus dem Norden zugewanderten Bauern frühe Forschenden der austroasiatischen Sprachgruppe waren. "Diese Studie lässt uns auf ein komplexes Zusammenspiel zwischen Archäologie, Genetik und Sprache schließen, was für das Verständnis der Geschichte der südostasiatischen Bevölkerung von entscheidender Bedeutung ist“, erklärt Ron Pinhasi als Co-Autor der Studie von der Universität Wien.

Die Untersuchung zeigt, dass nachfolgende Migrationswellen aus China während des Bronzezeitalters ankamen – vor rund 3.200 Jahren in Myanmar, vor 2.000 Jahren in Vietnam und innerhalb der letzten 1.000 Jahre in Thailand. Diese Zuströme brachten Abstammungen in die Region, die heute mit verschiedensten Sprachgruppen assoziiert werden.

Die Identifikation von drei Bevölkerungsgruppen – Jäger und Sammler, erste Bauern und Forschenden des Bronzezeitalters – spiegelt ein Muster wider, das europäische Studien zu uralter DNA bereits zuvor entdeckt hatten, aber mit zumindest einem wesentlichen Unterschied: Ein Großteil der Abstammungsvielfalt in Europa hat mit der Zeit und der Vermischung der Populationen abgenommen, während es bei südostasiatischen Populationen nach wie vor wesentlich mehr Variation gibt.

"Noch heute leben Menschen in der Region, die quasi direkte Nachfahren der drei ursprünglichen Bevölkerungsgruppen sind, darunter auch Personen mit Vorfahren unter den Jägern und Sammlern, die heute in Thailand und Malaysia, sowie auf den Philippinen und den Andamanen leben", erklärt David Reich, Professor für Genetik an der Harvard Medical School und Co-Autor der Studie. "Im Vergleich dazu kann in Europa heute niemand behaupten, mehr als nur einen Bruchteil von europäischen Jägern und Sammlern abzustammen.“

Reich stellt die Hypothese auf, dass sich diese hohe Vielfalt in Südostasien nur dadurch erklären lässt, dass Bauern in Europa sehr viel später angekommen sind – vor rund 4.500 Jahren im Vergleich zu zuvor vermuteten 8.000 Jahren. Den Populationen blieb somit weniger Zeit, um sich zu vermischen, und die genetische Vielfalt ist daher noch stärker vorhanden.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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