Venus in einer Landschaft

Venus in einer Landschaft (Lucas Cranach der Ältere)
Venus in einer Landschaft
Lucas Cranach der Ältere, 1529
Öl auf Buchenholz
38 × 25 cm
Louvre
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Venus in einer Landschaft ist der Titel eines Gemäldes des deutschen Malers Lucas Cranach der Ältere, eine typische allegorische und mythologische Darstellung des Künstlers von 1529.[1][2]

Cranach entwarf mit der anmutigen Frauenfigur, die nackt inmitten einer Landschaft steht, ein neues ikonografisches Bild.[3] Die gotische Stadt im Hintergrund zeugt von seiner zeichnerischen Meisterleistung und poetischen Sensibilität in der Landschaftsmalerei.[2][3] Er malte klassische Figuren in deutschen Landschaften.[4]

Das Gemälde befindet sich im Louvre in Paris und hat die Inventarnummer 1180, seine Maße betragen 38 × 25 cm, es ist in Öl auf Buchenholz gemalt und unten rechts mit der Jahreszahl 1529 signiert. Ebendort ist Cranachs Zeichen geschickt zwischen den Kieselsteinen versteckt.[3]

Bildbeschreibung

Cranachs Symbol, eine geflügelte Schlange mit einem Ring im Maul
Lucas Cranach d. Ä. - Venus mit Amor als Honigdieb, mit schriftlicher Ermahnung (sein vielfach wiederholtes Thema, hier aus dem Jahr 1529, ausgestellt im MET-Museum, Leihgabe)

Cranachs Gemälde Venus in einer Landschaft wiederholt sein Thema der Venus mit Amor als Honigdieb von 1525 (das kein Aufruf an den Betrachter ist, den Freuden des Lebens auszuweichen, sondern ein Ansporn, ihnen nachzugehen), jedoch ohne Amor und ohne die schriftliche Ermahnung.[5] Cranachs beliebtes Venusmotiv posiert auch hier mit einem roten Hut mit sehr breiter Krempe. Dieses Mal steht Venus alleine, aber wieder unter Bäumen einer eindeutig deutschen Landschaft, in der rechten Bildhälfte spiegeln sich eine Häuserkulisse und ein Felsen im Wasser eines Sees. Das lange lockige Blondhaar der Venus mit rasierter Stirn quillt unter ihrem verwegen aufgesetzten Samthut hervor, ihr Blick fängt den des Betrachters ein. Sie trägt nichts an ihrem schlanken langbeinigen Körper als ein juwelenbesetztes Halsband und einen durchsichtigen Schleier, der nichts verbirgt.[5][6][7] Beiden Bildern ist gemeinsam, dass die Nackten keine klassischen Schönheiten, sondern zeitgenössische Frauen mit modischen großen Hüten, Schleiern und Schmuck darstellen.[8] Ihre helle Haut hebt sich stark vom dunklen Grün der Bäume ab und scheint den Boden unter ihren Füße zu erhellen, wo eine winzige geflügelte Schlange zwischen den Kieselsteinen kriecht und einen Ring im Maul trägt, was das Markenzeichen Cranachs darstellt.[9]

Cranachs Venus

Zum Vergleich Dürer's Zeichnung Frauenbad
Lucas Cranach d. Ä. malte die erste lebensgroße Venus der Neuzeit, (1509)

Wie der Kunsthistoriker Max J. Friedländer sich ausdrückte, mangelte es Cranachs „knochenlosen Schönheiten“ mit ihren „geschlängelten Umrissen“ an Leibhaftigkeit, ihre „kubische Realität“ nahm ihnen die Anstößigkeit und machte sie hoffähig an den sächsischen Fürstenhöfen – ganz gleich ob er Venus, Lucretia oder Eva darstellte.[10]

Zwei Aspekte in Cranachs Venusdarstellungen werden unter seinen Zeitgenossen als neu angesehen. Der erste Aspekt ist die isolierte Darstellung einer weiblichen Figur in einer Landschaft.[2][11] Der zweite ist die Platzierung der Liebesgöttin in ein zeitgenössisches Umfeld; Wie von anderen Gemälden aus dieser Zeit erkenntlich, sind ihr Hut und ihr Halsband das, was eine stilvolle Frau jener Zeit getragen hätte.[11]

Lucas Cranach ist vor allem als Aktmaler der empörendsten Frauenbilder seiner Zeit bekannt, die hager, absurd und kalt erotisch wirken. Seine Venus in der Landschaft von 1529 scheint die „inkarnierte Sexualität“ zu sein.[5][7] Weit mehr als jeder venezianische oder florentinische Künstler machte Cranach die Nacktheit verrucht und malte die Sexualität einer sündigen Welt.[5]

Obwohl eine Kinderfigur bei der Venus in der Landschaft fehlt, erinnert das Bildmotiv an seine Venus mit Amor als Honigdieb,[12][3] in Anspielung auf den Text des Theokrit (Idyllen), der Bienenstiche mit den Wunden der Liebespfeile vergleicht.[13][3] Albrecht Dürer, ein Zeitgenosse Cranachs, war einer der ersten deutschen Künstler, die das theokritsche Thema auffassten, seinen Venustyp aber nach klassischer Art darstellte – ganz im Gegensatz zu Cranachs Herangehensweise.[14] Die Becken seiner gemalten Frauen kippen nach vorne, ihr Körpergewicht scheint nicht auf ihren Füße zu lasten, die auf steinigem Boden stehen. Im Gegensatz zu Dürers kräftigen Frauenakten oder den üppigen italienischen Akte der gleichen Zeit sind Cranachs Frauen junge Mädchen, die kein Kind geboren haben.[15]

Charakteristisch für Cranachs klassisch inspirierte Konzeptionen ist das Weglassen der damals weit verbreiteten Geste weiblicher Bescheidenheit, wie bei der antiken Venus pudica, die ihre Scham mit der Hand bedeckt. Bereits in seinen frühesten Werken ab 1509 ist die Vulva sichtbar (Cranach malte 1509 die erste Venus der Neuzeit, lebensgroß und um ihre Hüfte nur einen durchsichtigen Schleier gewunden[16]). Der durchsichtige Schleier, den Cranachs „Venus in einer Landschaft“ vor ihren Unterleib hält, wirft beim Betrachten Fragen zur Realität des Gemäldes selbst und zu seiner Beziehung zu dieser Realität auf, da der Schleier und seine Platzierung ein Ansporn für die Vorstellungskraft (und die damalig unerlaubte männliche Begierde) sind: Cranachs Venus in der Landschaft schaut den Betrachter direkt an und zeigt mit ihrem kleinen Finger dezent auf ihre Leistengegend. In diesem kulturellen Kontext evozierte Cranachs scheinbar unkomplizierte Darstellung einer vollständig entkleideten Frau größere moralisierende Themen wie die Macht der Frau und die männliche Anfälligkeit für sexuelle Versuchung.[6][3]

Herkunft

Das Gemälde kam im Jahr der preußischen Niederlage 1806 über den Kunstraub Napoleons Bonaparte nach Frankreich, als ungefähr 1000 Gemälde aus deutschen Sammlungen geplündert wurden, darunter auch welche von Cranach (allein aus Berlin wurden 1806 etwa 15 Cranach zugeschriebene Gemälde abgeholt[17]). Österreich und Preußen forderten 1814 die Rückgabe der geraubten Kunstgegenstände und legten Listen vor. Frankreich zögerte die Auslieferung der Gegenstände immer wieder hinaus. Als Napoleon dann 1815 die Schlacht bei Waterloo verlor, erschienen am 11. Juli 1815 preußische Soldaten vor dem Musée Napoléon (heute Louvre) und erzwangen die Rückgabe ihrer Gegenstände mit Waffen. Die Österreicher waren höflicher und überließen dem verzweifelten Museumsdirektor freiwillig einige ihrer Kunstwerke. Da aber das Museum nicht alle Kunstgegenstände hatte aufnehmen können, waren viele auf andere Provinzmuseen verteilt worden und daher nicht im Louvre registriert; somit blieben viele in Frankreich.[18]

Das Museum Louvre in Paris gibt an, dass das Gemälde im Musée Napoléon die Inventarnummer „fol. 170“ hatte, und unter dem Titel «Vénus en pied dans un paysage» mit der Herkunftsangabe „Eroberung von 1806“ ohne weitere Präzisierung registriert war, sowie dass es 1815 von den deutschen Kommissaren nicht zurückgenommen wurde. Auf der Rückseite trägt das Bild ein Wachssiegel des „Generaldirektors der Museen“ Dominique-Vivant Denon, verziert mit dem Doppelprofil von Ptolemäus und Napoleon (Siegel gestempelt von Auguste Desnoyers 1779–1857).[19][3]

Interpretation

Ein Katalog der Louvre-Galerien aus dem Jahr 1874 beschrieb Cranachs Gemälde Venus in einer Landschaft, signiert und datiert 1529. Venus sei nicht der heidnische Typ der Königin der Liebe, sondern die große und schlanke „Dame Venus“, von der die Minnesänger sprechen wie Tannhäusers Minnelied, die in ihrem urigen „Rotkäppchen“ umherwandert, unter Bäumen inmitten einer malerischen Landschaft mit fernem Blick auf gotische Spitztürme, Erkertürme und eine kleine mittelalterliche Stadt.[20]

Einzelnachweise

  1. Günter Arnolds (Hrsg.): Malerei des Abendlandes, eine Bildersammlung von der frühchristlichen bis zur zeitgenössischen Malerei. F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, Berlin-Grunewald, S. 77 (Archiv-Nr. 20232).
  2. 2,0 2,1 2,2 Marie Claude-Bianchini (Hrsg.): The Louvre Collections. Réunion des musées nationaux et du Grand Palais des Champs-Élysées, 1993, ISBN 978-2-7118-3009-1, S. 418.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 Lucas Cranach l'ancien, Allemagne: Vénus debout dans un paysage. In: Louvre. 1529, abgerufen am 13. März 2022.
  4. Richard Phipps, Richard Wink: Invitation to the Gallery: An Introduction to Art. Wm.C. Brown Publishers, 1987, ISBN 978-0-697-00116-0, S. 151.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Jonathan Jones: The Loves of the Artists: Art and Passion in the Renaissance. Simon and Schuster, 2013, ISBN 978-0-85720-321-2 (E-Book ohne Seitenzahlen).
  6. 6,0 6,1 Thomas Kren, Jill Burke, Stephen J. Campbell: The Renaissance Nude. Getty Publications, 2018, ISBN 978-1-60606-584-6, S. 40–41.
  7. 7,0 7,1 Charles Locke Eastlake: Notes on the Principal Pictures in the Louvre Gallery at Paris: And in the Brera Gallery at Milan. Houghton Mifflin, 1883, S. 46.
  8. Charles Sterling, Metropolitan Museum of Art New York, NY Robert Lehman Collection, Metropolitan Museum of Art Robert Lehman Collection: Fifteenth- to Eighteenth-century European Paintings. Metropolitan Museum of Art, 1998, ISBN 978-0-87099-881-2, S. 46.
  9. Monique de Beaucorps, Raoul Ergmann: Great Masters of European Painting. Harry N. Abrams, 1998, ISBN 978-0-8109-4131-1, S. 115.
  10. Die Gemälde von Lucas Cranach. In: digi.ub.uni-heidelberg.de. Max J. Friedländer, Jakob Rosenberg, 1932, S. 18–19, abgerufen am 22. März 2022.
  11. 11,0 11,1 Monique de Beaucorps, Raoul Ergmann: Great Masters of European Painting. Harry N. Abrams, 1998, ISBN 978-0-8109-4131-1, S. 115.
  12. Thomas Kren, Jill Burke, Stephen J. Campbell: The Renaissance Nude. Getty Publications, 2018, ISBN 978-1-60606-584-6, S. 40–41.
  13. Lucas Cranach l'ancien, Allemagne: Vénus debout dans un paysage. 1529, abgerufen am 13. März 2022.
  14. Charles Sterling, Metropolitan Museum of Art New York, NY Robert Lehman Collection, Metropolitan Museum of Art Robert Lehman Collection: Fifteenth- to Eighteenth-century European Paintings. Metropolitan Museum of Art, 1998, ISBN 978-0-87099-881-2, S. 46.
  15. Lyndal Roper: Venus in Wittenberg: Cranach, Luther, and Sensuality. In: Marjorie Elizabeth Plummer (Hrsg.): Ideas and Cultural Margins in Early Modern Germany: Essays in Honor of H.C. Erik Midelfort. Routledge, 2016, ISBN 978-1-351-92914-1 (E-Book ohne Seitenzahlen).
  16. Frank Kämpfer: Propaganda: politische Bilder im 20. Jahrhundert, bildkundliche Essays. Kämpfer, 1997, ISBN 978-3-932208-04-1, S. 84.
  17. Bénédicte Savoy: Kunstraub: Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen : mit einem Katalog der Kunstwerke aus deutschen Sammlungen im Musée Napoléon. Böhlau Verlag Wien, 2011, ISBN 978-3-205-78427-2, S. 143.
  18. Edward P. Alexander: Museum Masters: Their Museums and Their Influence. Rowman Altamira, 1995, ISBN 978-0-7619-9131-1, S. 101–103.
  19. Lucas Cranach l’ancien, Allemagne: Vénus debout dans un paysage. 1529, abgerufen am 13. März 2022.
  20. Henry O'Shea: The Galleries of the Louvre: A Concise Guide and Critical Catalogue. Galignani, Paris 1874, S. 75: „A Venus in a Landscape, signed and dated 1529. Not the Pagan type of Venus, Queen of Love, but rather the long and slim-bodied „Dame Venus“ the minne-singers talk of, who, cheating Tannhauser's watchfulness, wanders in her quaint little red ridinghood amid quainter trees, and a landscape with distant glimpses of Gothic spires and turrets and a small mediæval city. The drawing is weak, the form awkward, the colouring warm and blooming, and on the whole there is a pleasant impression of gentle and timid grace and charming naïveté.“

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