Matronae Fachinehae

Die Fachinehae oder auch Fahineihae sind Matronen, die in sieben Inschriften auf Votivsteinen aus dem 2./3. Jahrhundert überliefert sind. Sechs der Inschriften stammen aus Zingsheim, aus einem Matronenheiligtum, das als Zentralort der Verehrung der Fachinehae gilt, und eine Inschrift aus Euskirchen.

Inschriften

Bei Ackerarbeiten wurden 1895 bei Nettersheim-Zingsheim in der Gemarkung „Gleisiger Heck“ drei fränkische Gräber des 7. Jahrhunderts entdeckt, bei denen zwei Matronensteine der Fachinehae für die Grabwandungen wiederverwendet waren und zum Zweck auf passende Maße behauen, beziehungsweise abgeschlagen worden waren.[1]

Beim ersten Stein (50 × 50 cm) aus rotem Sandstein an den Schmalseiten waren Bäume abgebildet.

„Matronis / Fachineihis / [3] Crispinius / [3]tus pro s[e] / [[2]

Der zweite Stein (44 × 49 cm) wurde als Deckplatte wiederverwendet, beide Schmalseiten zeigen als Dekor einen Lorbeerbaum.

„Ma(tronis) Fachinehi[s] / Flavius Co[m]/munis et C[[3]

Im Jahr 1960 wurden bei der Gemarkung „Vor Hirschberg“ erste römische Baureste und Inschriftenfragmente prospektiert und ab 1963 planmäßig ergraben. In der Folge wurde das Planum als Matronenheiligtum der Fachinehae in Form eines gallo-römischen Umgangstempels angesprochen.[4] 1976 erfolgte eine erneute Grabung am „Gleisiger Heck“, bei der weitere Gräber angesprochen wurden. Zwei Matronensteine der Fachinehae waren als Grabplatten verwendet worden.[5]

„Fachinehis / L(ucius) (C)hvaiionius / Primus l(ibens) m(erito)[6]

„Mat(ronis) Fachine/is L(ucius) Celer/is pro se / et suis / l(ibens) m(erito)“

Die Stifter der Steine waren einheimische akkulturierte Bauern (Ubier) mit germanischen Namen.[7] Die Steine stammen ursprünglich aus dem Matronenheiligtum. Die Wiederverwendung in fränkischen Gräbern des Frühmittelalters ist eine lokale Auffälligkeit des Umkreises der einstmaligen Matronenkultzentren (Pesch, Nettersheim) im Kreis Euskirchen.[8] Zu den Zingsheimer Funden kommt der Stein aus Euskirchen, der ebenfalls in einem spätantiken Grab als Deckplatte wiederverwendet wurde.

„Matronis / Fa(c)hineihis M(arcus) / [An]nius(?) Placi/[d]us et Bassia/[ni]a Quieta / v(otum) s(olverunt) l(ibentes) m(erito)[9]

Beiname und Deutung

Siegfried Gutenbrunner leitete den Beinamen – aus der Nebenform Fahineihae – von germanisch *fahana = „froh (sein)“ ab unter Bezugnahme des weiblichen germanischen Personennamen „Fahena“, einer Stifterin eines Votivsteins für die Matronae Octocannae[10], den er zu gotisch fahjan = „schmücken“ stellt. Rudolf Simek folgt verhalten Gutenbrunner und sortiert die Fachinehae funktional als Schutzgottheiten ein.[11]

Piergiuseppe Scardigli stellt in seiner Untersuchung der Sprache im Umfeld der Matronen[12] diese in Bezug einer kultischen Sprachgestaltung und somit unter anderen die Fachinehae zu germanisch *fah- = „fügen, passen“ und weiters zu gotisch gafahrjan = „zubereiten“ sowie zu faheþs = „Freude“ und zur germ. Wortwurzel *fanh- = „fangen, ergreifen“ und deutet den Beinamen als „Matronen die das passende (Zauberwort) wissen“.[13]

In der Erkenntnis der jüngeren Forschung, dass die Matronenbeinamen fast zur Gänze topischen Charakter zeigen, das heißt, von einem Ort, einer Stelle oder einem Gewässernamen namentlich abgeleitet sind, bewertete Günter Neumann die germanischen Beinamen neu. Er leitete den Namen der Fachinehae daher konsequent vom germanischen Stamm *faχa- = „Fischwehr“ ab, und den Namen gesamt von einem Hydronym (Gewässernamen) ab, das einen „Fluß mit Fischwehren“ bedeutet. Der Wortstamm ist als Grundwort zahlreicher (deutscher) Ortsnamen (resp. Fachingen) und im mittelalterlichen Flussnamen der Fachina vorliegt; heute die elsässische Fecht.[14] Des Weiteren gehört der Name durch das -in- Element zu einer Gruppe von Beinamen, die ebenfalls von einem Orts- oder Stellennamen abgeleitet werden können.

Theo Vennemann geht ebenfalls von der Basis eines hypothetischen Hydronyms Facina aus. Anders als Neumann, sieht er für die Bildung der germanischen („ubischen“) Form des Beinamen zunächst einen vom Gewässernamen abgeleiteten gallo-römischen Ortsnamen Faciniacum, der nicht belegt ist. Aus diesem Ortsnamen – mit dem Zwischenglied eines gallo-römischen Matronennamen Faciniciae – wurde letztlich die überlieferte germanische Form der Fachineihiae gebildet.

Siehe auch

Literatur

  • Frank Biller: Kultische Zentren und Matronenverehrung in der südlichen Germania inferior. Verlag Marie Leidorf, Rahden/Westf. 2010, ISBN 978-3-89646-734-8.
  • Siegfried Gutenbrunner: Die germanischen Götternamen der antiken Inschriften. Max Niemeyer, Halle/S. 1936, S. 10, 167, 186.
  • Günter Neumann: Die germanischen Matronenbeinamen. In: Matronen und verwandte Gottheiten (= Beihefte der Bonner Jahrbücher 44). Rheinland-Verlag, Köln / Habelt, Bonn 1987, ISBN 3-7927-0934-1, S. 103–132 = Astrid van Nahl, Heiko Hettrich (Hrsg.): Günter Neumann: Namenstudien zum Altgermanischen (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 59). de Gruyter, Berlin u. a. 2008, ISBN 978-3-11-020100-0, S. 253–289; hier 229, 261 (kostenpflichtig Germanische Altertumskunde Online bei de Gruyter).
  • Hermann Reichert: Lexikon der altgermanischen Namen, Band I, Teil 1: Textband. (= Thesaurus Palaeogermanicus. 1,1). Unter Mitarbeit von Wilibald Kraml. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1987, ISBN 3-7001-0931-8.
  • Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie (= Kröners Taschenausgabe. Band 368). 3., völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X, S. 95, 309.
  • Theo Vennemann: Die mitteleuropäischen Orts- und Matronennamen mit f, þ, h und die Spätphase der Indogermania. In: Georges Dunkel (Hrsg. et al.): Früh-, Mittel-, Spätindogermanisch. Reichert, Wiesbaden 1994, ISBN 3-88226-735-6, S. 403–426; hier 407 f.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Der Inschriftenstein des dritten Grabes: CIL 13, 7831
  2. CIL 13, 7829
  3. CIL 13, 7830
  4. Die Inschriftenfragmente der M. Fachinehae erstpubliziert durch Frank Biller, 2010 S. 190–192.
  5. Christoph B. Rüger: Inschriftenfunde der Jahre 1975–1979 aus dem Rheinland. In: Epigraphische Studien 12 (1981), S. 287–307; hier 288f.
  6. AE 1977, 563
  7. Norbert Wagner: Chvaiionius und Chamarus. In: Historische Sprachforschung 102 (1989), S. 216–219.
  8. Manfred Clauss: Neue Inschriften im rheinischen Landesmuseum Bonn. In: Epigraphische Studien 11 (1976), S. 3, 13f.
  9. CIL 13, 7970
  10. CIL 13, 8572
  11. Rudolf Simek: Religion und Mythologie der Germanen. WBG, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-16910-7, S. 123.
  12. Piergiuseppe Scardigli: Sprache im Umkreis der Matroneninschriften. In: Heinrich Beck (Hrsg.): Germanische Rest- und Trümmersprachen (= Reallexikon der Germanischen Altertumskunde – Ergänzungsbände; 3). Walter de Gruyter, Berlin/New York 1989, ISBN 3-11-011948-X, S. 143–156; hier 151.
  13. Kritisch ablehnend zu Scardiglis generellen Ansatz Jürgen Untermann ebenda S. 232.
  14. Albrecht Greule: Deutsches Gewässernamenbuch. Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2014, ISBN 978-3-11-019039-7, S. 141f.

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