Langmahdhalde

Langmahdhalde

Blick von Südwesten auf die Fundstelle (2020)

Blick von Südwesten auf die Fundstelle (2020)

Lage: Lonetal bei Stetten ob Lontal, Landkreis Heidenheim, Baden-Württemberg, Deutschland
Höhe: 465 m ü. NHN
Geographische
Lage:
48° 33′ 37″ N, 10° 11′ 36,6″ OKoordinaten: 48° 33′ 37″ N, 10° 11′ 36,6″ O
Langmahdhalde (Baden-Württemberg)
Geologie: Weißer Jura ζ, Massenkalk
Typ: Abri
Entdeckung: 2016
Beleuchtung: keine

Langmahdhalde ist der Name einer archäologischen Fundstelle im Lonetal bei Stetten ob Lontal auf der Schwäbischen Alb. Sie befindet sich an einem Felsüberhang und wird seit 2016 durch Mitarbeiter der Universität Tübingen und Studierende ausgegraben. Sie enthält archäologische Fundschichten aus dem Frühmittelalter, der Römischen Kaiser- und frühen Eisenzeit, dem Neolithikum, Mesolithikum und Magdalénien. Mit rund 27.000 Jahren reicht das Alter der geologischen Horizonte zurück bis vor den Beginn des Letzten Glazialen Maximums (LGM).

Mit ihrer ungestörten Schichtenfolge gilt die Langmahdhalde als hochwertige Referenzfundstelle für die Erforschung der Subsistenzstrategien von Jäger-und-Sammler-Gruppen im späten Jungpaläolithikum sowie der damals herrschenden Umwelt- und Klimabedingungen.

Geographische Lage und Topographie

Die Langmahdhalde liegt am Fuß eines rund 30 m langen und 10 m hohen Kalksteinstotzens, der sich in der Nähe der Vogelherdhöhle an der rechten Talflanke des Lonetals befindet. An der nach Westen orientierten, fast senkrecht aufragenden Felswand befinden sich drei Überhänge, die Schutz vor Witterungseinflüssen bieten. Nur aus nordöstlicher Richtung ist der Fels ohne Klettersicherung begehbar.

Forschungsgeschichte

Entdeckung

Entdeckt wurde die Fundstelle von dem ehemaligen Schulleiter und Höhlensucher Hermann Glatzle. Er hatte bei Geländebegehungen im Lonetal bis Ende 2015 mehr als 200 möglicherweise archäologisch relevante Erdlöcher, Felsspalten und -überhänge erfasst und kartiert und die Daten dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg sowie dem Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Eberhard Karls Universität Tübingen zur Verfügung gestellt. 2016 wurde Glatzle für seine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit mit dem Archäologiepreis Baden-Württemberg ausgezeichnet.[1][2]

Grabungsschnitt 1

Im Mai 2016 wurden an der Langmahdhalde zwei Probeschnitte angelegt. Der im südlichen Bereich eingebrachte Grabungsschnitt 1 mit Abmessungen von 3 m × 1 m und einer Tiefe von knapp 2 m erbrachte keine Befunde und nur wenige Einzelfunde. Aus den fünf geologischen Horizonten konnten 11 Knochen, 22 lithische Artefakte und 17 weitere Funde geborgen werden. Aufgrund der geringen Funddichte wurde der Schnitt zum Ende der Kampagne wieder verfüllt.[3]

Hauptgrabungsfläche

Das Nordprofil im Grabungsschnitt 2 (2016)

Die heutige Hauptgrabungsfläche liegt am nördlichen Ende der Felswand. Sie ergab sich aus dem Grabungsschnitt 2, der auf eine Fläche von 3 m × 3 m ausgeweitet und bis in 1,5 m Tiefe ergraben wurde. In der stratigraphischen Abfolge entsprechen alle archäologischen Horizonte (AH) weitestgehend den jeweiligen geologischen Horizonten (GH). Bereits in dem auf die Humusschicht folgenden GH 2/AH II fanden sich rund 350 lithische Artefakte und 100 Tierknochen mit Schnitt- und Schlagspuren sowie zerscherbte Keramik, die zum Teil als neolithisch angesprochen werden kann, überwiegend jedoch aus der frühen Eisenzeit stammt. Die Schichten GH 2a/AH IIa enthielten frühmesolithische Steinartefakte mit charakteristischer rötlicher Färbung und feinem Glanz, die beim Tempern von Feuerstein entstehen. Die darauffolgende Schicht GH3/AHIII enthielt nur sehr kleine Steinartefakte und wenige Einzelfunde; das Alter von 14379–14088 cal. BP deutet auf eine Begehung der Langmahdhalde im Endpaläolithikum hin. In GH 4/AH IV stieß man auf eine Feuerstelle mit einigen durch Hitzeeinwirkung rötlich verfärbten Kalksteinen. Durch die dunklen Knochen- und Holzkohlen zeichnete sich dieser ovale Bereich mit etwa 1 m Durchmesser deutlich im umgebenden Sediment ab. Das Alter eines Holzkohlestücks konnte mit der Radiokarbonmethode auf 15291–15159 cal. BP bestimmt werden. Auch die Typologie der Steinartefakte zeigt eine Nutzung der Langmahdhalde während des Magdalenién an.[3]

2017 wurde die Grabungsfläche in westlicher Richtung auf eine Größe von ca. 18 m² erweitert. Die warmzeitlichen Horizonte GH 1/AH I, GH 2/AH II und GH 2a/AH IIa erbrachten dabei 1170 Steinartefakte (75 % davon stammen aus dem Mesolithikum) sowie 63 keramische Scherben und Knochen von Wildschwein, Damhirsch, Rothirsch und Reh. Im GH 5/AH V setzte sich die Feuerstelle aus GH 4/A IV fort, zwei weitere Feuerstellen wurden angeschnitten. 3511 lithischen Artefakte sowie 271 einzelne Faunenreste und eine große Anzahl an Knochenbruchstücken bildeten das Inventar der magdalénienzeitlichen Straten. Alle Horizonte unterhalb des AH IIa enthielten Knochen von überwiegend pleistozänen Tierarten wie Mammut, Pferd, Ren, Steinbock, Höhlenlöwe, Eisfuchs, Hase und Schneehuhn sowie eine sehr hohe Zahl an Kleinsäugerresten.[4]

Das Planum wurde bis 2018 auf eine Fläche von rund 30 m² erweitert

Im darauffolgenden Jahr wurde das Planum nach Süden vergrößert und umfasst heute (Stand 2020) eine Fläche von knapp 30 m². Bis in eine Tiefe von 3,5 m ließen sich bislang 17 geologische und 10 archäologische Schichten unterscheiden, von denen GH 4/AH IV bis GH 9/AH IX in das Magdalénien fallen und GH 5/AH V die Hauptfundschicht darstellt. Sie lieferte 6 potenzielle Feuerstellen unterschiedlicher Größe und Nutzungsdauer sowie Knochenkohle, 300 Faunenreste und 66 % (5465 Stück) aller Steinartefakte dieser Zeitstellung. Zahlreiche kleine Abfallstücke wiesen zwei Stellen des Fundplatzes als Aktivitätszonen zur Steinbearbeitung aus. Als Rohmaterial kamen überwiegend lokaler Jurahornstein, tertiärer Hornstein aus dem 50 km entfernten Randecker Maar und schwarzer Radiolarit zum Einsatz. Das lithische Inventar umfasst eine große Anzahl Kerne, Grundformen und Werkzeuge wie Rückenmesser, Lacan-Stichel und Kratzer. In einem 2020 angelegten, 1,5 m tiefen Sondierschnitt im Zentrum der Grabungsfläche wurden 7 weitere geologische Horizonte aufgedeckt. Mit einem Alter zwischen ca. 17.000 und 27.000 Jahren cal. BP stammen GH 10 bis GH 16 aus der Zeit des Letzten Glazialen Maximums. Sie sind weitgehend fundleer, was dafür spricht, dass auch das Lonetal aufgrund der extremen klimatischen Bedingungen während dieser Zeit nicht von Menschen begangen wurde.

Wegen der geringen Größe des Abris und der hohen Zahl an Befunden geht man davon aus, dass die Langmahdhalde zwischen etwa 15.500 und 14.100 Jahren vor heute wiederholt von kleineren Jäger-Sammler-Gruppen als Jagdlager genutzt wurde.[5][6][7]

Paläoumwelt und -klima

Die umfangreichen Kleinsäugerreste der Fundstelle bilden eine aussagekräftige Basis zur Rekonstruktion des Klimas und der Umweltbedingungen, die im späten Jungpaläolithikum auf der Schwäbischen Alb geherrscht haben. Die Schlämmreste der eiszeitlichen Sedimente lieferten über 400.000 Knochen und Zähne von Nagetieren und Insektenfressern wie z. B. Spitzmaus, Rötelmaus und Halsbandlemming. Diese Arten eignen sich für bioklimatische Analysen, da sie durch eine verhältnismäßig geringe Lebenserwartung und hohe Fertilität bzw. variable Populationsdynamik in der Lage sind, sich schnell an Änderungen von Klima und Umwelt anzupassen. In Verbindung mit Isotopenuntersuchungen an Pferde- und Rentierknochen ließ sich eine offene, heterogene Tundrenlandschaft mit stellenweiser Bewaldung nachzeichnen. Verglichen mit heutigen Kältesteppen kann von längeren Vegetationsperioden und häufigeren Niederschlägen sowie einer größeren Artenvielfalt ausgegangen werden. Es herrschte polares Klima mit kürzeren, wärmeren Wintern als heute.[8][9]

Siehe auch

Literatur

  • Nicholas J. Conard, Alexander Janas, Mohsen Zeidi: Ausgrabung der Magdalénien-Horizonte und Testschnitt in tiefere Schichten an der Langmahdhalde In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2020. Konrad-Theiss-Verlag, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-8062-4361-1, S. 68–72
  • Gillian L. Wong: Human Paleoecology during the Magdalenian in the Swabian Jura of Southwestern Germany. Dissertation, Tübingen, 4. August 2020 [1] (PDF 8,2 MB)
  • Nicholas J. Conard, Alexander Janas, Mohsen Zeidi: Ausgrabungen an der Langmahdhalde im Lonetal: Raumnutzung und Siedlungsdynamik im Magdalénien. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2019. Konrad-Theiss-Verlag, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-8062-4221-8, S. 51–55
  • Gillian L. Wong, Dorothée G. Drucker, Britt M. Starkovich, Nicholas J. Conard: Latest Pleistocene paleoenvironmental reconstructions from the Swabian Jura, southwestern Germany: evidence from stable isotope analysis and micromammal remains. In: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology Volume 540 (2020-02-15). https://doi.org/10.1016/j.palaeo.2019.109527 (PDF 2,5 MB)
  • Nicholas J. Conard, Alexander Janas, Mohsen Zeidi: Ausgrabungen an der Langmahdhalde liefern weitere Einblicke in magdalénienzeitliche Lebensweisen auf der Schwäbischen Alb. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2018. Konrad-Theiss-Verlag, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-8062-3962-1, S. 60–63
  • Gillian L. Wong, Britt M. Starkovich, Nicholas J. Conard: Human Subsistence and Environment during the Magdalenian at Langmahdhalde: Evidence from a new Rock Shelter in the Lone Valley, Southwest Germany. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Urgeschichte, Band 26, 2017. Blaubeuren 2018, ISSN 1611-7948, S. 103–123 [2] (PDF 4,5 MB)
  • Nicholas J. Conard, Alexander Janas, Mohsen Zeidi: Ausgrabungen in den magdalénienzeitlichen Schichten der Langmahdhalde im Lonetal. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2017. Konrad-Theiss-Verlag, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-8062-3814-3, S. 55–59
  • Nicholas J. Conard, Alexander Janas, Mohsen Zeidi: Neue Ausgrabungen unter den Felsdächern in der Langmahdhalde bei Lontal. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2016. Konrad-Theiss-Verlag, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-8062-3601-9, S. 58–63

Weblinks

Commons: Langmahdhalde – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Förderverein Eiszeitkunst im Lonetal e.V.: „Umweltrekonstruktionen – Was uns Mäuseknochen über die Steinzeit erzählen können“ von Gillian Wong auf YouTube, 25. September 2020, abgerufen am 24. Oktober 2021.

San Diego Archaeological Center: Animal Bones and Teeth: Stone Age Environments Revealed (ab 0:39:10) auf YouTube, 19. Mai 2020, abgerufen am 24. Oktober 2021.

Einzelnachweise

  1. Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Archäologische Information aus Baden-Württemberg, Band 76. Stuttgart 2017, ISBN 978-3-942227-29-2, S. 18.
  2. Detektiv der Alb – Der Höhlensucher Hermann Glatzle. Stuttgarter Zeitung, 31. März 2016, abgerufen am 18. Dezember 2020.
  3. 3,0 3,1 Nicholas J. Conard, Alexander Janas, Mohsen Zeidi: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2016. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart in Verbindung mit der Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern und dem Förderkreis Archäologie Baden. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-8062-3601-9, Neue Ausgrabungen unter den Felsdächern in der Langmahdhalde bei Lontal, S. 58–63.
  4. Nicholas J. Conard, Alexander Janas, Mohsen Zeidi: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2017. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart in Verbindung mit der Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern und dem Förderkreis Archäologie Baden. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-8062-3814-3, Ausgrabungen in den magdalénienzeitlichen Schichten der Langmahdhalde im Lonetal, S. 55–59.
  5. Nicholas J. Conard, Alexander Janas, Mohsen Zeidi: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2018. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart in Verbindung mit der Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern und dem Förderkreis Archäologie Baden. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-8062-3962-1, Ausgrabungen an der Langmahdhalde liefern weitere Einblicke in magdalénienzeitliche Lebensweisen auf der Schwäbischen Alb, S. 60–63.
  6. Nicholas J. Conard, Alexander Janas, Mohsen Zeidi: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2019. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart in Verbindung mit der Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern und dem Förderkreis Archäologie Baden. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-8062-4221-8, Ausgrabungen an der Langmahdhalde im Lonetal: Raumnutzung und Siedlungsdynamik im Magdalénien, S. 51–55.
  7. Nicholas J. Conard, Alexander Janas, Mohsen Zeidi: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2020. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart in Verbindung mit der Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern und dem Förderkreis Archäologie Baden. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-8062-4361-1, Ausgrabung der Magdalénien-Horizonte und Testschnitt in tiefere Schichten an der Langmahdhalde, S. 68–72.
  8. Latest Pleistocene paleoenvironmental reconstructions from the Swabian Jura, southwestern Germany: Evidence from stable isotope analysis and micromammal remains. Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology, Ausgabe 540 (2020), 15. Februar 2020, abgerufen am 21. Januar 2021.
  9. Human Paleoecology during the Magdalenian in the Swabian Jura of Southwestern Germany. Dissertation. Gillian L. Wong, 4. August 2020, abgerufen am 21. Januar 2021.

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