Dorak-Affäre

Dorak-Affäre wird ein Skandal um eine Reihe archäologischer Funde der Yortan-Kultur, den sogenannten Dorak-Schatz, genannt. Die Affäre spielte sich in den 1950er und 1960er Jahren in der Türkei um den britischen Archäologen James Mellaart ab.

Ablauf

Nach Angaben von James Mellaart traf er 1958 bei einer Zugfahrt von Istanbul nach Izmir eine junge Frau, die sich Anna Papastrati nannte. An ihr sei ihm ein ungewöhnliches Armband aufgefallen. Sie soll ihm erklärt haben, dass dieses Armband Teil einer Sammlung von Altertümern sei, die sich im Besitz ihrer Familie befänden. Er begab sich daraufhin mit der Frau, die nach seiner Beschreibung eine junge Griechin war und gutes Englisch mit leichtem amerikanischem Akzent sprach, in das Haus ihrer Familie. Sie soll ihm dort zahlreiche Stücke gezeigt haben, die er stilistisch der Yortan-Kultur zuordnete. Die Yortan-Kultur ist eine der Kulturen, die dem antiken Troja benachbart waren. Er will sich mehrere Tage in dem Haus in Izmir aufgehalten haben, fertigte Zeichnungen von den Stücken und Notizen an. Eine Möglichkeit, die Stücke zu fotografieren, wurde ihm nach seiner Darstellung verweigert. Anna habe ihm allerdings zugesagt, die Stücke bei nächster Gelegenheit selbst zu fotografieren und ihm die Aufnahmen zuzuschicken. Die Stücke sollen in der Nähe der Stadt Dorak, südlich des Marmarameeres, während des Griechisch-Türkischen Krieges in flachen Gräbern gefunden worden sein. Mellaart berichtete, dass er Aufnahmen von den Gräbern gesehen habe, in denen der Dorak-Schatz gefunden worden sei, und es hätten auch neugriechische Fundbeschreibungen bestanden, die er gesehen habe. Nach einigen Tagen soll er das Haus verlassen haben, ohne sich die genaue Lage zu merken, will sich aber Namen und Anschrift (Anna Papastrati, 217 Kazim Direk Street, Izmir) auf einem Notizzettel vermerkt haben. Eine Sendung von Anna Papastrati unterblieb. Mellaart will von einer Veröffentlichung zunächst abgesehen haben, bis die Fotos oder das Einverständnis zur Veröffentlichung vorliegen sollten. Er will zweimal nach Izmir geschrieben haben, ohne allerdings eine Antwort erhalten zu haben. Mitte Oktober 1958 traf dann ein Brief im British Institute of Archaeology in Ankara ein, in dem Mellaart als stellvertretender Direktor tätig war. Der Inhalt lautete:

“Dear James, Here is the letter you want so much. As the owner, I authorise you to publish your drawings of the Dorak objects, which you drew in our house. You always were more interested in these old things than in me! Well, there it is. Good luck, and goodbye. Love, Anna Papastrati.”

Datiert war das Schreiben auf 18/10/1958, der Absender lautete Kazim Direk Caddesi no. 2i7, Karsiyaka – Izmir.

Mellaart veröffentlichte daraufhin seine Zeichnungen und Notizen zu diesem Fund in der Illustrated London News. In dem Artikel wurden von der Bedeutung her Parallelen zum Schatz von Mari hergestellt.

Nachforschungen der türkischen Behörden und von Journalisten ergaben allerdings zunächst, dass die Adresse in der Kazim Direk Caddesi zu einem Geschäftshaus in einer Straße gehörte, in der keine Wohnhäuser lagen. Es stellte sich allerdings auch heraus, dass es zeitweilig mindestens zwei derartige Straßen in Izmir gegeben hatte, und dass zusätzlich die Straßen mehrfach umbenannt worden waren. Faktisch war die Adresse nicht ermittelbar. Auch die Stücke, die Mellaart beschrieb, tauchten zu keinem Zeitpunkt in Sammlungen oder auf dem legalen Kunstmarkt auf.

1962 begann in der Türkei eine Pressekampagne, in der Mellaart vorgeworfen wurde, er sei am Schmuggel des Schatzes im Werte von damals umgerechnet 240 Millionen D-Mark beteiligt gewesen. Es wurden Augenzeugen zitiert, die einen dicklichen Ausländer in der Nähe der Fundstellen bei Dorak in Begleitung einer Frau gesehen haben sollen. Ein Zeuge habe sogar Mellaart eindeutig identifiziert. 1964 erreichte der Druck der Öffentlichkeit einen Punkt, an dem die türkische Regierung Mellaart Ausgrabungen in Çatalhöyük zunächst untersagte und ihm 1965 schließlich nur erlaubte, in die Türkei einzureisen, wenn er sich lediglich als Assistent an Ausgrabungen beteilige.

Debatte um den Schatz von Dorak

Über die Wahrheit hinter der Dorak-Affäre gibt es unterschiedliche Auffassungen. Zum Teil wird vertreten, dass Mellaart, der erst im Zusammenhang mit den Ausgrabungen in Çatalhöyük bekannt wurde, sich den Fund weitgehend ausgedacht habe. Der fragliche Brief von Anna Pappastrati weise Ähnlichkeiten mit der von seiner Ehefrau in seinem Institut benutzten Schreibmaschine und mit seiner sonstigen Korrespondenz aus der Zeit auf.[1]

Nach anderer Auffassung deute der amerikanische Akzent von „Anna Papastrati“ auf Verbindungen zur US-Basis bei Izmir bzw. auf eine Mitarbeit beim von dort aus ebenfalls operierenden CIA. Diese Verbindungen waren Ende der 1960er Jahre auch als Drehscheibe für den illegalen Kunstmarkt aus der Türkei bekannt. Mellaart wurde nach dieser Auffassung benutzt, um nach damaligem Kenntnisstand hochwertige Funde der Yortan-Kultur mit einer Geschichte durch einen renommierten Experten zu versehen. Nach dieser Auffassung wurde das Treffen mit Mellaart im Zug absichtlich arrangiert, Mellart war danach der Spielball wirklich krimineller Personen.[2]

Eine Auswertung des Nachlasses des 2012 verstorbenen Mellaart ergab Hinweise, dass er den Dorak-Schatz gefälscht haben könnte.[3]

Literatur

  • Kenneth Pearson, Patricia Connor: Die Dorak-Affäre. Schätze, Schmuggler, Journalisten. Zsolnay, Wien / Hamburg 1968.
  • Dora Jane Hamblin: Türkei – Land der lebenden Legenden. Bastei-Lübbe, Bergisch Gladbach 1975, ISBN 3-404-25012-5, S. 187–197.
  • Eberhard Zangger: James Mellart's Fantasies In: Talanta 50, 2018, S. 125–182, hier S. 132–136 (Digitalisat).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Suzan Mazur: Dorak Diggers Weigh In On Anna & Royal Treasure. scoop.co.nz, 4. August 2005
  2. Dora Jane Hamblin: Türkei – Land der lebenden Legenden. Bastei-Lübbe, Bergisch Gladbach 1975, ISBN 3-404-25012-5, S. 196 f.
  3. Archäologe als Fälscher entlarvt Scinexx vom 14. März 2018.

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