Bagauden

Bagauden (Bagaudes; eventuell von keltisch baga „Kampf/Krieg“ abgeleitet und damit als „Kämpfer“ bzw. „Streiter“ zu deuten), nach Johann Kaspar Zeuß (Gramm. celtica² 790) durch die Endung auda, wie sie z. B. auch in Alaudae/alauda lässt er sich wohl am passendsten mit „die Streitbaren“ übersetzen.

So wurden im 3. Jahrhundert und in der Spätantike bewaffnete Bauern und Hirten in Gallien und Hispanien genannt, die sich gegen die römische Obrigkeit erhoben. Vieles an den Bagauden, ihrer Herkunft und ihren Motiven ist aufgrund der schwierigen Quellenlage unklar. Vielleicht revoltierten sie gegen die Schollenbindung (die Bindung der Bauern an ein bestimmtes Stück Land) und den stetig steigenden Steuerdruck. Nach Ansicht mancher Althistoriker handelte es sich bei den Bagauden aber eher um lokale Milizen, die in Zeiten einer geschwächten Zentralmacht ihre Verteidigung selbst organisierten mussten und sich schließlich vom Reich lossagten. Möglicherweise verbergen sich hinter der Bezeichnung Bagauden auch ganz verschiedene Gruppen wie z. B. verarmte Kolonen, entlaufene Sklaven, Deserteure, sozial Deklassierte etc., was zumindest die Widersprüchlichkeit der Quellen erklären könnte. Anders als die Räuberbanden aus früheren Zeiten repräsentierten die Bagauden ziemlich sicher jene Provinzialen, die sich vom römischen Imperium im Stich gelassen und ausgebeutet fühlten.

Die Bagauden tauchen erstmals während der so genannten Reichskrise des 3. Jahrhunderts (um 286) in den antiken Quellen auf, als sich die gallische Landbevölkerung, 283 oder 284, gegen Kaiser Carinus (283–285) erhob.[1] Da dieser mit Kämpfen gegen andere Usurpatoren vollauf beschäftigt war, konnte er der Rebellion nicht sofort wirksam entgegentreten, so dass sie sich rasch ausbreitete. Die Bauern und Landarbeiter stellten das Fussvolk, die Hirten die Reiterei, nachdem sie sich zwei Anführer aus ihrer Mitte gewählt hatten, zogen sie plündernd durch ganz Gallien. Sie konnten erst zu Beginn der Regierungszeit des römischen Kaisers Diokletian (284–305) massiv bekämpft werden; als ihre Anführer nennt Aurelius Victor (Caesares 39,17) zwei Männer namens Aelianus und Amandus. Diokletian ernannte seinen Mitstreiter Maximian (286–305) zum Augustus im Westen und beorderte ihn nach Gallien, wo ihm schließlich in den Jahren zwischen 285 und 286, mit Unterstützung des Flottenbefehlshabers Carausius die Niederschlagung des Aufstandes gelang.[2] Laut einer Lobrede auf Maximian soll dieser die Bagauden gezüchtigt haben: „...die Reiter sein wollten und sich wie feindliche Barbaren verhielten.“ Aber einzelne kleine Räuberbanden konnten dabei nicht ausgemerzt werden, so erhielt sich auch die Idee der Bagaudie und drang von Gallien nach Nordspanien über.[3] Wie die barbarischen Invasoren zogen auch die Bagaudenhaufen plündernd durch die Provinzen, teils bis in den Norden Spaniens und zu Beginn des 5. Jahrhunderts auch über die Alpen nach Italien. Dabei ließen sie ihren Hass bevorzugt an den Großgrundbesitzern und Steuereintreibern aus. Nur bei Gefahr verbündeten sie sich mit anderen Gruppen, um beispielsweise ihre Heimatregionen gegen germanische Eindringlinge zu verteidigen, wenn keine regulären Truppen in der Nähe standen. Mitunter schlossen sie sich ihnen aber auch den Invasoren an, insbesondere wenn es galt die Städte zu belagern oder die provinziale Oberschicht terrorisieren zu können. Während des 4. Jahrhunderts, als das Imperium Romanum wieder stabilisiert werden konnte, schweigen die Quellen über die Bagauden. In den nachfolgenden unruhigen Zeiten, schwand jedoch die Macht der weströmischen Zentralregierung in Gallien und Hispanien immer mehr, es geschah dann sehr häufig, dass aus den Räuberbanden wieder große Beutegemeinschaften wurden, gegen die mit einer ganzen Armee vorgegangen werden musste. Dies ging sogar so weit, dass sich 407 ein römischer Feldherr den ungehinderten Übergang über die Alpen von den dortigen Bagauden durch Überlassung seiner gesamten Beute erkaufen musste.[4]

Der christliche Chronist Salvian von Marseille bezeichnet im 5. Jahrhundert die Bagauden als Barbaren, die alle jene in ihre Reihen aufnahmen, die der ungerechten und korrupten römischen Ordnung entfliehen wollten. Er erwähnt dabei auch, dass die gewöhnlichen spanischen und gallischen Provinzialen von den Barbaren anscheinend besser behandelt wurden als von den Römern:

„Sie [die ärmsten Römer] suchen bei den Barbaren die Menschlichkeit der Römer, weil sie bei den Römern die barbarische Unmenschlichkeit nicht mehr ertragen können [...]. Deshalb wandern sie scharenweise zu den Goten oder zu den Bagauden oder anderen Barbaren, die ja allenthalben herrschen. [...] Und daher kommt es, dass auch die, die nicht zu den Barbaren fliehen, doch gezwungen werden, Barbaren zu sein, wie zum Beispiel ein großer Teil der Hispanier und ein nicht geringer der Gallier, und endlich alle, welche wegen der auf dem ganzen Erdkreis verbreiteten römischen Ungerechtigkeit keine Römer mehr sein können.“[5]

Man vermutet, dass Salvian damit eine ernste Mahnung an die Eliten formulieren wollte, endlich wieder gerechter mit ihren Untertanen zu verfahren, um nicht letztendlich von den Barbaren vertrieben zu werden.[6] Trotz alledem schafften die Bagauden es nicht, sich politisch zu organisieren oder auch nur eine Art Gruppenidentität zu bilden um ihren berechtigten Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen. Ihre losen Verbände wurden daher einer nach dem anderen von der Oberschicht wieder zerschlagen, sehr oft auch mit Unterstützung von Föderaten, die das Imperium nicht nur nach außen, sondern auch nach innen schützten. Kurz nach dem Alarich's Armee Rom geplündert hatte, wurde sie nach Südgallien in Marsch gesetzt, um dort einen größeren Aufstand der Bagauden zu unterdrücken. Schließlich wurden die Bagauden unter Tibatto und Basilius von regulären weströmischen Truppen und den ihnen zur Hilfe geeilten Westgoten besiegt und zerstreut. Danach finden sie in den Quellen keine Erwähnung mehr. In den 430er Jahren übernahmen dies hunnische Truppen, die südlich der Loire gegen Bagauden eingesetzt wurden. Wie die kaiserlichen Beamten hatten auch die Föderaten großes Interesse daran solche Unruhen rasch zu beenden, da auch sie in hohem Maße auf die regelmäßigen Steuereinnahmen angewiesen waren. So machten sie häufig mit den römischen Amtsträgern und dem senatorischen Adel der davon bedrohten Provinzen gemeinsame Sache. Ihre Armeen waren jedoch expansionsfähige Beutegemeinschaften die auch auf unzufriedene oder verarmte Provinzialen eine hohe Anziehungskraft ausübten, gleich wie die Rebellenbanden. Manche von ihnen wechselten (wie später die Bevölkerung im Dreißigjährigen Krieg) wohl von einem Heerhaufen zum andern über – je nachdem welcher bessere Lebensbedingungen bot. Nach einem Bericht aus dem 5. Jahrhundert schloss sich z. B. der Medicus Eudoxius zuerst den Bagauden und später den Hunnen an. Wegen der exorbitant hohen Steuer- und Abgabenforderungen der römischen Statthalter flossen ihnen immer mehr Unzufriedene und Verzweifelte zu. Gegen Mitte des 5. Jahrhunderts waren sie so stark angewachsen, dass sie – wie die Germanen in Gallien – schließlich ebenfalls ihre eigenen Gemeinwesen gründeten und von den Barbaren fast als gleichberechtigt angesehen wurden. In der hispanischen Provinz Tarraconensis spielten diese auch bei den Kämpfen während der Völkerwanderungszeit eine bedeutende Rolle.

Quellensammlung

  • Béla Czuth: Die Quellen der Geschichte der Bagauden. Szeged 1965.

Literatur

  • Alexander Demandt: Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian. 284–565 n. Chr. 2. vollständig bearbeitete und erweiterte Auflage. München 2007, ISBN 978-3-406-55993-8, speziell S. 370f. (Handbuch der Altertumswissenschaft Abt. 3, Teil 6).
  • John F. Drinkwater: The Bacaudae of fifth-century Gaul. In: John F. Drinkwater, Hugh Elton (Hrsg.): Fifth-century Gaul. A crisis of identity? Cambridge 1992, ISBN 0-521-41485-7, S. 208–217.
  • Juan Carlos Sánches León: Los Bagaudas. Rebeldes, demonios, mártires. Jaén 1996.
  • Otto Seeck: Bagaudae. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band II,2, Stuttgart 1896, Sp. 2766 f.
  • Roland Steinacher: Was ist ein Barbar? In: Spektrum der Wissenschaft Spezial Archäologie – Geschichte – Kultur 1 (2015), S. 20–25.
  • Patrick J. Geary: Europäische Völker im frühen Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen. Europäische Geschichte, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-60111-8, S. 122–124.

Anmerkungen

  1. Eumenius pan. III 5 exacerbatas saeculi prioris iniuriis provincias. II 4 priorum temporum labes
  2. Eumenius: pan. II 4. III 5. VI 8. Eutropius: IX 20, 3. Vict. Caes. 39, 17. 19. Zonar. XII 31. Otto Seeck: Geschichte des Untergangs der antiken Welt I 23. S. 397
  3. Hydatius: chron. 125. 128. 141. 142. 158
  4. Zosimus: VI 3, 5
  5. Chronica Gallica anno 452, 133, zit. nach Frye.
  6. Salvianus von Marseille, Von der Weltregierung Gottes [De gubernatione dei] V 5, Zitiert nach: Des Presbyters Salvianus von Marseille erhaltene Schriften. Übersetzt von Anton Meyer, München 1935, S. 159f.

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