Statue von Çineköy

Statue von Çineköy im Museum Adana
Frontalansicht

Die Statue von Çineköy, wegen der darauf eingravierten zweisprachigen Inschrift oft auch als Bilingue von Çineköy bezeichnet, ist die Statue eines Wettergottes auf einem von Stieren gezogenen Wagen. Die Statue aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. wurde im Dorf Çineköy gefunden, etwa 30 km südlich von Adana in Kilikien in der Südtürkei. Sie ist heute im archäologischen Museum von Adana ausgestellt.

Fund

Die Skulptur wurde am 30. Oktober 1997 von einem Bauern im Dorf Çineköy (36° 48′ N, 35° 16′ O) im Landkreis Yüreğir der Provinz Adana beim Pflügen gefunden. Nach Benachrichtigung der zuständigen Stellen unternahmen im November İzmet İpek und A. Kazım Tosun im Auftrag des Archäologischen Museums von Adana Grabungen, bei denen die Statue des Gottes und der Wagen mit den Stieren in mehreren Teilen zutage kamen. Die Statue, die aus weichem Kalkstein bestand, wurde am 13. November ins Museum verbracht, kurz darauf auch die anderen, aus Basalt bestehenden Teile. Sie wurden unter der Leitung der Zentralwerkstatt für Restaurierung und Konservierung Istanbul restauriert und anschließend im Museum ausgestellt. Im Sommer 1998 setzte das Museum die Ausgrabungen fort, konnte jedoch keine weiteren Teile des Werkes finden.

Statue

Die aus Kalkstein gemeißelte Figur trägt eine Kopfbedeckung mit Quasten, darunter einen Reif mit zwei Hörnern, der sie als Gott kennzeichnet. Die langen glatten Haare, der gestutzte Bart sowie Augen und Ohren sind gut zu erkennen. Der Oberkörper ist mit einem Umhang bekleidet, die kurzen Ärmel schließen über den Ellenbogen ab. Um die Hüften liegt ein Gurt, der an einem von der linken Schulter bis zum Boden reichenden Stoffband befestigt ist. Die Bekleidung unterhalb der Hüfte ist schlecht erkennbar. Vor der Brust halten die Hände einen nicht zu interpretierenden Gegenstand, in der rechten Hand befinden sich acht kleine Löcher, die möglicherweise der Befestigung eines weiteren Objekts dienten.

Der Gott steht auf einem Wagen, der von zwei Stieren gezogen wird. Diese Teile des Standbilds sind aus Basalt. Vom linken Stier ist der Kopf bei den Augen abgebrochen, der Rest ist einschließlich des Jochs gut erhalten. Das rechte Zugtier fehlt bis auf einen Rest des linken Hinterbeines. Die Tiere sind in Bewegung dargestellt, Muskeln, Adern, Hufe, ein langer geflochtener Schwanz und andere Körperteile sind gut erkennbar. Die Räder des Wagens hatten acht Speichen, die allerdings nur zum Teil erhalten sind. Das Standloch der Statue misst 40 × 40 cm und ist 30 cm tief. Vor der Standplattform sind Mauern mit drei Türmen zu erkennen, die möglicherweise das Königreich des Awarik symbolisieren, der als Urheber der Statue gilt.

Es besteht allgemeine Einigkeit darüber, dass in der Statue der luwischen Wettergott Tarhunzas dargestellt ist, der in dem luwischen Text der Inschrift mehrfach erwähnt wird. Im phönizischen Teil wird er, wie auch in der Bilingue von Karatepe, als Baal identifiziert. Das Monument ist nach neo-hethitischen Standards geschaffen, zeigt aber laut Giovanni Lanfranchi in Haar, Bart und Kleidung assyrische Einflüsse.[1]

Inschrift

Zwischen den Beinen der Stiere sowie auf der Grundplatte sind Inschriften in Hieroglyphen-Luwisch und in Phönizisch angebracht, die eine Bilingue bilden. Der Verfasser der Inschrift ist der aus assyrischen Schriften bekannte König Awariku (Urikki) von Qu'e (reg. 738–732 v. Chr.). Wie in altorientalischen Königsinschriften üblich besteht sie aus zwei Teilen, wobei im ersten der Autor vorgestellt wird und er im zweiten Teil einen Bericht seiner Taten gibt.

Zunächst stellt Awarik – im luwischen Text Wariki, im phönizischen ist nur der erste Buchstabe W erhalten[2] – sich mit Name, Titulatur und Abstammung vor sowie mit zwei Beinamen, die ihn mit dem Wettergott Tarhunzas und dem Sonnengott in Verbindung bringen. Er führt seine Abstammung, wie dies ebenso Azatiwada von Karatepe in der dortigen Inschrift tut, auf das Haus des Muk(a)sas, im Phönizischen MPŠ, zurück, der nach allgemeiner Ansicht mit dem legendären griechischen Seher und Stadtgründer Mopsos gleichgesetzt wird. Im weiteren Text beschreibt Awarik Errungenschaften und Verdienste um sein Land. Er berichtet über die Vergrößerung seines Königreiches und des Heeres sowie über den Fortschritt, den er mit göttlicher Hilfe dem Land gebracht hat. Er lobt die Verschmelzung von Qu'e mit dem assyrischen Reich und rühmt sich der Zerstörung und Erbauung von Festungen in ungenannten, fernen Gebieten.

Das Königreich Qu'e entspricht etwa dem Kizzuwatna der hethitischen Großreichszeit und damit grob dem ebenen Kilikien (Kilikia pedias) der späteren Zeit. Es wird im luwischen Teil des Karatepe-Textes Adanawa und die Einwohner im phönizischen Teil, wie auch hier, Danunäer genannt. Im luwischen Teil der Çineköy-Inschrift wird das Land als Hijawa bezeichnet. Dieser Name wird in Verbindung gebracht mit dem in bronzezeitlichen hethitischen Texten vielfach auftauchenden Aḫḫijavā, das von der stark vorherrschenden Forschungsmeinung, allerdings nicht ganz unumstritten,[3] für ein mykenisches Reich gehalten wird (vgl. die Bezeichnung Achaier für die Griechen bei Homer). Eine Gleichsetzung von Hijawa mit Aḫḫijavā würde die These einer Ansiedlung von Griechen in Kilikien am Übergang zur Eisenzeit stützen, die auch Recai Tekoğlu und André Lemaire vertreten. Allerdings ist diese Gleichsetzung nicht unproblematisch.[4]

Literatur

  • Recai Tekoğlu, André Lemaire, İsmet İpek, A. Kazım Tosun: La bilingue royale louvito-phénicienne de Çineköy. In: Comptes-rendus des séances de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, 144e année, N. 3, 2000. S. 961–1007. (Digitalisat)
  • J. David Hawkins: Die Inschrift des Warikas von Hiyawa aus Çineköy. In: Bernd Janowski, Gernot Wilhelm (Hrsg.): Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Neue Folge 2: Staatsverträge, Herrscherinschriften und andere Dokumente zur politischen Geschichte. Gütersloh 2005, S. 155–156. [Übersetzung der hieroglyphen-luwischen Fassung]
  • Giovanni B. Lanfranchi: The Luwian-Phoenician Bilingual of Çineköy and the Annexation of Cilicia to the Assyrian Empire. In: Robert Rollinger (Hrsg.): Von Sumer bis Homer: Festschrift für Manfred Schretter zum 60. Geburtstag am 25. Februar 2004 (Alter Orient und Altes Testament 325). Münster 2005, S. 481–496.
  • Robert Rollinger: The Terms “Assyria” and “Syria” again. In: Journal of Near Eastern Studies 65 (2006), S. 283–287.
  • Giovanni B. Lanfranchi: The Luwian-Phoenician bilinguals of ÇINEKÖY an KARATEPE: An ideological dialogue. In: Robert Rollinger, Andreas Luther, Josef Wiesehöfer: Getrennte Wege? Kommunikation, Raum und Wahrnehmung in der Alten Welt (Oikumene 2). Verlag Antike, Frankfurt/M. 2007, S. 179–217. ISBN 978-3-938032-14-5 (bei GoogleBooks)
  • Çineköy. In: Trevor Bryce: The Routledge Handbook of The People and Places of Ancient Western Asia: The Near East from the Early Bronze Age to the fall of the Persians Empire. Routledge 2011, S. 167. ISBN 978-0-415-39485-7 (bei GoogleBooks)
  • Gary M. Beckman, Trevor R. Bryce, Eric H. Cline: The Ahhiyawa Texts (= Writings from the Ancient World 28). Society of Biblical Literature, Atlanta 2011, ISBN 978-1-58983-268-8, S. 263–266 (AHT 28).

Weblinks

Commons: Statue von Çineköy – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Giovanni B. Lanfranchi: A happy son of the king of Assyria: Warikas and the Çineköy Bilingual (Cilicia) (PDF; 1,3 MB) S. 129
  2. André Lemaire ergänzt den Namen zu WR(Y)K und gibt ihn in der Übersetzung mit Urikki wieder (Recai Tekoğlu, André Lemaire, İsmet İpek, A. Kazım Tosun: La bilingue royale louvito-phénicienne de Çineköy. In: Comptes-rendus des séances de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, 144e année, N. 3, 2000. S. 994), was die aus assyrischen Schriften bekannte Namensform ist.
  3. Gerd Steiner: The Case of Wiluša and Ahhiyawa. Bibliotheca Orientalis 64, 2007, S. 590–611.
  4. Max Gander: Aḫḫiyawa – Ḫiyawa – Que. Gibt es Evidenz für die Anwesenheit von Griechen in Kilikien am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit? Studi Micenei ed Egeo-Anatolici (SMEA) 54. 2012, S. 281–309. Vergleiche dazu auch Trevor Bryce: The land of Hiyawa (Que) revisited. Anatolian Studies 66, 2016, S. 67–79. (JSTOR 24878364)

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