Belagerung von Paris (885–886)

Die Belagerung von Paris durch dänische Wikinger begann am 25. November 885 und wurde, nachdem sich der fränkische Kaiser Karl III. zu Tributzahlungen bereit erklärt hatte, im Oktober 886 abgebrochen.

Hintergrund

Seit dem Ende des 8. Jahrhunderts wurden West- und Mitteleuropa von Raubzügen durch Wikinger bedroht. 793 plünderten sie das Kloster Lindisfarne an der englischen Küste und dehnten ihr Angriffsgebiet in der Folgezeit auf das Fränkische Reich aus. Das Fränkische Reich wurde nach dem Tode Karls des Großen 814 mehrfach unter dessen Nachkommen aufgeteilt, was mit Streitigkeiten verbunden war und eine Schwächung der Nachfolgereiche gegenüber äußeren Bedrohungen zur Folge hatte. Dänische Wikinger machten sich dies zunutze und plünderten insbesondere seit der Mitte des 9. Jahrhunderts zahlreiche Ortschaften im Westfrankenreich. Im Gegensatz zu den Norwegern und Schweden setzten die Dänen dabei große Kriegsflotten ein, die mit erfahrenen Kriegern bemannt wurden. Sie unternahmen fast jährlich Kriegszüge gegen fränkische Städte, wobei sie über Flüsse wie Loire oder Seine tief ins Landesinnere eindrangen.

Seit 845 wurde auch Paris zum Ziel dänischer Angriffe, doch blieben der Stadt schwerwiegende Verheerungen erspart. Graf Robert der Tapfere, der Ahnherr des Geschlechts der Robertiner, ließ die Befestigungen von Paris ausbauen und vertrieb mehrere Wikingerheere von seinem Territorium. Obwohl der ostfränkische Kaiser Karl III. bis 885 einen Großteil des Frankenreiches unter seiner Herrschaft vereinigte, hielt diese neuerliche fränkische Machtfülle die Dänen nicht von weiteren Überfällen ab. 885 ging ein großes dänisches Heer an der Seine-Mündung an Land und forderte einen hohen Tribut, was Karl III. ablehnte. Daraufhin machten sich die Dänen über die Seine auf den Weg nach Paris.

Vorgeschichte

Das dänische Wikingerheer segelte mit angeblich 700 Schiffen die Seine flussaufwärts und traf am 25. November 885 vor den Toren von Paris ein. Die Dänen sollen etwa 30.000 Mann unter dem Befehl von Siegfried und Rollo aufgeboten haben, doch dürften die Quellenangaben übertrieben sein. Das Stadtgebiet von Paris beschränkte sich im späten 9. Jahrhundert noch auf die Île de la Cité, bei der es sich um eine Seine-Insel handelt. Die Stadt war durch zwei Brücken mit dem Festland verbunden, eine steinerne im Norden (heute Pont Notre-Dame) und eine hölzerne im Süden (Petit Pont), an deren Enden Wachtürme errichtet worden waren. Geschützt wurde Paris durch eine steinerne Stadtmauer. Als die Dänen vor der Stadt eintrafen, befanden sich in Paris lediglich 200 adlige Kämpfer und deren Gefolge. Befehligt wurden die Verteidiger der Stadt von Odo, dem älteren der beiden Söhne Roberts des Tapferen, der ab 882 Graf von Paris war. Unterstützt wurde Odo von Bischof Gauzlin. Als die Belagerung begann, befand sich Kaiser Karl III. auf einem Feldzug in Italien, so dass die Verteidiger von Paris in absehbarer Zeit nicht mit dem Eintreffen eines Entsatzheeres rechnen konnten. Am Tage nach der Ankunft begann der Wikingerführer Siegfried zunächst Verhandlungen mit dem Bischof Gauzlin: er schlug vor, Gauzlin solle die wikingische Flotte ungehindert an Paris vorbeifahren lassen, wogegen er völlige Schonung der Stadt wie der Besitzungen Odos und Gauzlins versprach. Der Bischof lehnte Siegfrieds Vorschlag ab unter Hinweis auf seine Vasallenpflicht, woraufhin sich Siegfried unter Drohungen entfernte. Der Kampf um Paris begann.[1]

Kampf um Paris

Darstellung der Wikinger (12. Jahrhundert)

Einen Tag nachdem die dänischen Wikinger den Belagerungsring um Paris geschlossen hatten, begannen sie am 26. November damit, die Stadt mit Steinbrocken und Pfeilen zu beschießen, wofür sie Katapulte und Mangonels einsetzten. Die Verteidiger der Stadt wehrten einen ersten dänischen Sturmangriff ab, indem sie siedendes Öl von den Mauern gossen. Der besonders hart umkämpfte Turm am Ende der nördlichen Brücke wurde von den Belagerten in der Nacht zum 27. November um ein Stockwerk erweitert. Bei weiteren Angriffen auf die Stadt setzten die Dänen Rammböcke ein und versuchten, die Türme zu unterminieren. An den heftigen Kämpfen beteiligte sich auch Bischof Gauzlin. Nachdem sämtliche Sturmangriffe von den Verteidigern abgewehrt worden waren, hoben die Dänen Gräben um die Stadt aus, in denen sich ein Teil von ihnen verschanzte, während die restlichen Truppen das Umland von Paris plünderten.

Ende Januar nahmen die Dänen den Kampf wieder auf. Sie steckten drei ihrer Schiffe in Brand und ließen sie in Richtung der südlichen Brücke von Paris treiben, die komplett aus Holz bestand. Die Schiffe gingen unter, bevor sie die Brücke erreichten. Was den Wikingern nicht gelang, wurde am 6. Februar 886 von schweren Regenfällen vollbracht. Die Seine trat über die Ufer und riss die von harten Kämpfen stark beanspruchte Holzbrücke weg. Der Turm südlich der Brücke war nun von Paris abgeschnitten.

Durch die Zerstörung der Brücke wurde es den Dänen ermöglicht, ungehindert flussaufwärts zu fahren. Sie begaben sich auf einen Plünderungszug entlang der Seine, ließen aber genügend Kämpfer für das Aufrechterhalten der Belagerung zurück. In dieser Situation schickte Graf Odo einen Boten an den Belagerern vorbei zu Karl III., um diesen um Hilfe zu bitten. Als bekannt wurde, dass sich Heinrich, der Heerführer Karls III., mit einem Heer von Osten näherte, um die Belagerung zu beenden, sank die Kampfmoral der Wikinger erheblich. Nachdem Siegfried von Graf Odo etwa 30 Kilogramm Silber erhalten hatte, zog er Mitte April mit seinen Truppen ab.

Rollo und seine Kämpfer waren aber nach wie vor entschlossen, Paris einzunehmen. Als im April eine Seuche in der Stadt ausbrach, der auch Bischof Gauzlin zum Opfer fiel, wurde die Lage für die Verteidiger kritisch. Graf Odo schlich sich an den Belagerern vorbei aus der Stadt, um zu Karl III. vorzudringen. Odo brachte schnell in Erfahrung, dass Karl sich bereits auf den Weg nach Paris gemacht hat, während Heinrichs Ankunft unmittelbar bevorstand. Mit der Unterstützung weniger Westfranken gelang es Graf Odo, nach einem Kampf mit den Dänen wieder Paris zu erreichen. Heinrich wurde jedoch auf dem Weg nach Paris getötet, während sich Karls Ankunft verzögerte.[2] Dies nutzte Rollo zu einem letzten Großangriff, der von den Verteidigern der Stadt abgewehrt wurde.

Ende

Im Oktober erschien Karl III. vor Paris und schloss mit seinen Truppen das dänische Heer ein. Anstatt die Dänen anzugreifen, eröffnete Karl Verhandlungen mit ihnen. Dabei erklärte er sich bereit, den Dänen die Summe zu zahlen, die Graf Odo nicht zu zahlen bereit gewesen war. Karl III. gestand den dänischen Wikingern die freie Fahrt auf der Seine zu und versprach ihnen, einen Tribut von etwa 350 Kilogramm Silber zu leisten. Entgegen diesen Vereinbarungen verweigerte Graf Odo den Wikingern nach wie vor die Nutzung der Seine, so dass diese ihre Schiffe an Land holten und sie bis zur Marne transportierten. Sie fuhren dann die Marne flussaufwärts, um Burgund zu plündern. Dies war auch Karls Absicht, da Burgund gegen seine Herrschaft revoltierte. Was Karl als geschicktes Taktieren erschien, wurde von der Pariser Bevölkerung als Verrat und Feigheit betrachtet.

Weitere Entwicklung

Karls Ruf wurde durch sein entgegenkommendes Verhalten gegenüber den Wikingern schwer beschädigt. Bereits 887 wurde Karl III. von Arnulf von Kärnten zur Abdankung gezwungen und verbannt. Arnulf wurde zum neuen König des Ostfrankenreichs gewählt. Graf Odo wurde 888 zum westfränkischen König gewählt und setzte sich gegen den karolingischen Gegenkönig Karl den Einfältigen durch, den er aber zu seinem Nachfolger bestimmte.

War Paris unter den Karolingern zu einem eher unbedeutenden Grafensitz geworden, hatte die Belagerung der Stadt durch die Wikinger ihre strategisch wichtige Lage verdeutlicht. Unter dem robertinischen König Odo gewann Paris auch politisch wieder an Bedeutung.

Die Dänen unternahmen nach der erfolglosen Belagerung von Paris immer weniger Plünderungszüge in das Landesinnere des Westfrankenreichs. Sie ließen sich an der Seine-Mündung nieder und wurden 911 nach einem letzten größeren Feldzug von Karl dem Einfältigen mit der Normandie belehnt. Die Seine-Wikinger unter Rollo verpflichteten sich, ihr Lehen gegen Invasoren zu verteidigen, und nahmen den christlichen Glauben an. 912 wurde Rollo als Vasall des westfränkischen Königs zum Graf von Rouen ernannt, aber behielt trotzdem seine Macht als Jarl der Seine-Wikinger.

Literatur

  • Annemarieke Willemsen (Hrsg.): Wikinger am Rhein. 800–1000. Wikingerschiffsmuseum Roskilde, Rheinisches Landesmuseum Bonn, Centraal Museum Utrecht, Utrecht 2004, ISBN 90-5983-009-1.
  • Walther Vogel: Die Normannen und das Fränkische Reich bis zur Gründung der Normandie (= Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte. Band 14). Winter, Heidelberg 1906, S. 320–338.
  • Anton Paules: Abbo von Saint-Germain-des-Prés, Bella Parisiacae urbis, Buch I, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-8204-8009-9.
  • Eduardo Coelho (Zeichnungen), Jean Ollivier (Text), Peter Puls (Übersetzung): Die Wikinger – Sturm auf Paris, in: Karl der Große / Die Wikinger, Classicomics #13.2, Schwager & Steinlein Verlag, Nürnberg 1978.

Einzelnachweise

  1. Walther Vogel: Die Normannen und das Fränkische Reich bis zur Gründung der Normandie, S. 325.
  2. Annemarieke Willemsen: Wikinger am Rhein.

Die News der letzten Tage