Fundort: Dolni Vestonice, Südmähren, Tschechien
Spezies: Homo sapiens
Geschätztes Alter: 26.000 Jahre
Koordinaten: 48.886631° N, 16.654091° E

Einer der bekanntesten Fundorte aus dem Paläolithikum in Tschechien ist Dolní Věstonice, auf dem Hügel von Pollau gelegen, mit einer guten Aussicht und Quellen in der Nähe. Dolní Věstonice ist nicht weit entfernt von einem anderen tschechischen Fundort - Predmosti - und wurde zunächst in den 1920er Jahren ausgegraben - aus diesem Zeitraum stammt die berühmte »Venus von Dolni Vestonice« - und nocheinmal nach dem Zweiten Weltkrieg in den Jahren 1947-52 (Klima, 1963).

Aus den Überresten dieser uralten menschlichen Gemeinschaft konnte man ein faszinierendes Bild des häuslichen Lebens in Europa vor 27.000 Jahren rekonstruieren.

Auf einem mit Gras bewachsenen Hang mit ein paar vereinzelten Bäumen befand sich eine kleine Siedlung aus fünf Hütten, die teilweise von Mammutstoßzähnen und anderen Knochen umgeben waren. Eine Hütte stand 90 Meter abseits von den anderen. Die vier nahe beieinander liegenden Hütten wurden von Holzpfosten - ähnlich wie Zeltstangen - gestützt, die leicht zur Mitte hin geneigt waren. Die Hüttenwände waren aus Tierhäuten gefertigt, die man zusammennähte, über die Holzpfosten zog und dann auf dem Boden mit Steinen und Knochen beschwerte.

Ein kleiner Bach schlängelte sich in der Nähe der Hütten den Abhang hinunter und der Boden in der Umgebung war durch die Füße von Generationen von Menschen stark verdichtet. Zwischen den Hütten befand sich eine große Feuerstelle, die sehr wahrscheinlich von einem Feuerhüter geschürt wurde. Offenbar brannte das Feuer die ganze Zeit, um umherstreifende Tiere fernzuhalten.

Innerhalb der größten Hütte - etwa 50 Meter lang und 20 Meter breit - befanden sich fünf flache Feuerstellen, die man in den Boden grub. Bei einer Feuerstelle steckte man zwei lange Mammutknochen in den Boden, eine Konstruktion, die möglicherweise einen Bratspieß stützte. Man kann sich leicht vorstellen, wie in dieser relativ komfortablen Umgebung ein Mensch auf einem Felsblock sitzt und mit der Herstellung von Werkzeugen beschäftigt ist. Für seine Arbeit benutzt er einen Knochen als Hammer, um dünne Abschläge aus einem Stück Feuerstein zu schlagen. Von einem entfernten Ende der Hütte kommt ein klarer, hoher Ton, ähnlich dem Ruf eines Vogels. Die Quelle könnte eine Frau gewesen sein, die in das Ende eines hohlen Knochens mit zwei oder drei Löchern bläst. Etwa 25.000 Jahre später werden die Menschen dieses Instrument als »Flöte von Dolni Vestonice« bezeichnen.

Das Grab einer Frau in Dolni Vestonice

Bei der Ausgrabung der großen Hütte stieß man auf die Überreste eines Menschen, der in einer zu einer flachen Schale ausgehobenen Grube beigesetzt wurde. Sie sterblichen Überreste waren mit zwei Schulterknochen des Mammuts bedeckt, von denen einer an der Unterseite verziert war. Der Körper ruhte auf der rechten Seite, das Knie war bis zum Kinn angezogen. Vor der Beisetzung wurde der Körper mit rotem Ocker bestreut. Die Knochen gehören zu einer Frau, die etwa 40 Jahre alt war, als sie starb. Sie war etwa 1, 60 m groß. Im Grab fand man mehrere Abschläge von Feuerstein. Neben der linken Hand befanden sich die Knochen eines Polarfuchses, die rechte Hand hielt zehn Eckzähne umgriffen, ebenfalls von Polarfüchsen. Eine Rekonstruktion des Grabes ist im Mährischen Landesmuseum in Brno (Brünn) zu sehen.

Der Brennofen von Dolni Vestonice

Überraschendes ergaben die Untersuchungen der kleinen Hütte, die hangaufwärts und abseits von den anderen errichtet wurde. Sie wurde in den Hang eingelassen, so dass dieser die Rückseite der Hütte bildete. Die Seiten bestanden teilweise aus einer niedrigen Mauer aus Steinen und Lehm und der Eingang zeigte bergab.

Innerhalb der Hütte befand sich eine Feuerstelle, die ganz anders konstruiert war, als diejenigen in den anderen Hütten. Sie hatte eine irdene Kuppel oberhalb der glühenden Holzkohlenschicht. Diese Konstruktion stellt einen Ofen dar, den man zum Brennen von Ton verwendete - der erste Brennofen, der je gebaut wurde. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt wurde der Rohstoff, der im Ofen gebrannt wurde, speziell präpariert. Man verwendete nicht einfach Schlamm von einem Flussufer, sondern vermischte ihn mit pulverisierten Knochen, so dass die Wärme im Ofen gleichmäßig verteilt wurde und sich das Ausgangsprodukt in ein neues, steinhartes Material verwandelte. Dies ist das erste Beispiel in der Geschichte der menschlichen Technik, das heute ein allgegenwärtiger Prozeß ist - die Kombination und die Behandlung von zwei oder mehr unterschiedlichen Stoffen, um ein besseres Produkt zu erhalten als es die Ausgangsstoffe allein sind. Es dauerte weitere 15.000 Jahre, bis Menschen im heutigen Japan lernten aus Ton Töpfe herzustellen, doch die Erkenntnisse aus Dolni Vestonice beweisen, dass die Grundlagen der Keramikherstellung bereits erfunden waren.

Als die Reste der Hütte mit dem Brennofen im Jahre 1951 erstmals untersucht wurden, war der rußige Boden mit Fragmenten von Keramikfiguren übersät, meistens Tierköpfe von Bären, Füchsen und Löwen. In einer besonders schönen Arbeit eines Löwenkopfes gibt es ein Loch, das möglicherweise eine Wunde darstellt. Vielleicht diente die Figur einem rituellen Zweck und sollte dazu beitragen, dass die Jäger bei der Löwenjagd (oder der Abwehr von Löwen) erfolgreich sind. Der Boden war außerdem mit Hunderten von Tonfragmenten übersät, auf denen einige Fingerabdrücke der prähistorischen Handwerker überliefert sind. Wahrscheinlich entstanden sie dadurch, dass man von einem ungebrannten Stück Ton Teile abkniff, bevor man begann, das Teil nach seinen Vorstellungen zu formen und zu kneten. Außerdem fand man abgebrochene tönerne Gliedmaßen von kleinen Tieren und menschlichen Figuren. Sie könnten beim Brennvorgang abgebrochen sein, oder sie sind entstanden, als die Künstler ihre Werke, die ihnen nicht gefielen, einfach wegwarfen.

Die Venus von Dolni Vestonice

Aber noch faszinierender als alle Tierfiguren und Abfälle auf dem Boden sind die Funde von menschlichen Figuren - vor allem die weiblichen Exemplare. Im Gegensatz zu den Tierköpfen sind sie nicht naturalistisch, sondern fast surreal. Sie haben pralle Brüste und dicke Hintern, die Arme und Beine sind zu spitzen Kegeln verkürzt. Vielleicht stellten sie Hausgöttinen dar, deren spitze Beine man in den Boden steckte, damit sie nicht umfielen, während sie über Heim und Herd wachten. Vielleicht waren sie auch Fruchtbarkeitssymbole, die den Fortbestand des Clans sichern sollten. Trotz ihrer grotesken Proportionen sind die Frauenfiguren ästhetische Objekte, sie strahlen etwas von einer Anmut und Würde aus und ihre stilisierte Plastizität ist vergleichbar mit Skulpturen modernen Künstler.

Die berühmte Venus von Dolni Vestonice ist etwa 11 Zentimeter hoch und misst an ihrer breitesten Stelle rund 4 Zentimeter. Sie wurde aus einem Klumpen Ton geformt und bei relativ niedriger Temperatur gebrannt. Die Statuette folgt der allgemeinen Morphologie anderer Venusfiguren - sie hat außergewöhnlich große Brüste, einen dicken Bauch und ausladende Hüften. Der Kopf ist im Verhältnis zum Rest des Körpers relativ klein, außerdem zeigt er nur wenige Details. Man glaubt, dass sich der Zeitraum, in dem solche Figuren mit übertriebenen weiblichen Attributen hergestellt wurden, über viele Jahrtausende erstreckt. Möglicherweise waren sie Symbole der Fruchtbarkeit oder es handelt sich um die Darstellungen einer weiblichen Muttergöttin. (Siehe auch "Die Venus von Willendorf")

Die Venus von Dolni Vestonice wurde am 13. Juli 1925 in einer Schicht Asche entdeckt und war in zwei Stücke auseinander gebrochen. Früher wurde die Figur im Mährischen Landesmuseum in Brno ausgestellt, heute ist das Original nur noch selten für die Öffentlichkeit zugänglich. Wissenschaftler untersuchen die Statuette jedoch in regelmäßigen Abständen, so fand man mittels einer Computertomographie im Jahr 2004 den Fingerabdruck eines Kindes oder Jugendlichen im Alter zwischen 7 und 15 Jahren, der in die Oberfläche der Figur eingebrannt ist. Als Hersteller der Figur soll das Kind, bzw. der Jugendliche aber nicht in Betracht kommen. (Králík, Novotný und Oliva, 2002).

Weblink: Paleolithic and Paleoethnology Research Center Dolní Věstonice (englisch)

Weblink: Sehr umfangreiche Sammlung von Materialien auf Dons Maps (englisch)


Literatur

  • Klima, B. 1963. Dolni Vestonice. Academia Praha, Prag
  • Karel Absolon. 1938. Die Erforschung der diluvialen Mammutjäger-Station von Unter-Wisternitz an den Pollauer Bergen in Mähren. C. Palaeontologische Serie Nr. 6,Brünn.
  • Miroslav Králík, Vladimír Novotný, Martin Oliva. 2002. Fingerprints on the Venus of Dolní Věstonice I. In: Anthropologie, Band XL/2, pp. 107-113

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