Selinunt

Selinunte: Trümmer des Tempel F (Vordergrund), Tempel E (links), Akropolis (Hintergrund)
Tempel E
Tempel E

Selinunt ({{Modul:Vorlage:lang}} Modul:ISO15924:97: attempt to index field 'wikibase' (a nil value), lateinisch Selinūs und {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value), italienisch Selinunte) ist eine archäologische Fundstätte im süditalienischen Freien Gemeindekonsortium Trapani auf Sizilien. Die Fundstätte befindet sich auf dem Gebiet der Gemeinde Castelvetrano an der Südküste Siziliens unmittelbar am Mittelmeer.

Die ausgedehnte Fundstätte besteht vornehmlich aus den Überresten der alten griechischen Stadt Selinus, die in der Antike zu den wichtigsten Poleis Siziliens zählte. Davon zeugen u. a. die zahlreichen Tempel, die zu den bedeutendsten griechischen Tempeln Siziliens zählen. Historisch bedeutsam, wenngleich weniger imposant sind auch die Ruinen aus der karthagischen Siedlungsphase des Ortes. In den vergangenen Jahrzehnten wurden große Teile der antiken Stadt freigelegt; eines der sämtlich durch Erdbeben zerstörten Heiligtümer wurde dabei teilweise wiederaufgebaut (Tempel E); die Rekonstruktion entspricht allerdings nicht dem aktuellen Forschungsstand.

Geschichte

Die Polis Selinunt wurde im 7. Jahrhundert v. Chr. von dorischen Griechen aus dem ostsizilischen Megara Hyblaea gegründet und existierte rund 400 Jahre. Die Stadt war die westlichste griechische Pflanzstadt (Apoikie) an der Südküste der Insel. Sie war berühmt für ihre fruchtbaren Böden, auf denen ein besonders guter Weizen wuchs, und erlangte rasch großen Reichtum, der sich insbesondere in den zahlreichen großen Tempelbauten manifestierte. In den sumpfigen Niederungen des Flusses Selinus gab es große Selleriebestände, die namensgebend für die Stadt und den Fluss wurden. Sogar das Wappen der Stadt war dem Sellerie gewidmet und enthielt den Zipfel eines Sellerieblattes. Im 6. Jahrhundert bestand in Selinunt laut Polyainos (1,28,2) eine Tyrannis unter einem gewissen Theron.

Die Polis war längere Zeit ein karthagischer Verbündeter, in erster Linie, um sich Unterstützung gegen Segesta zu sichern. Selinunt war die einzige griechische Stadt, die 480 v. Chr. in der Schlacht bei Himera auf Seiten Karthagos kämpfte. Danach scheint das Bündnis aber gelöst worden zu sein. Das 5. Jahrhundert war die Zeit der größten Blüte des Ortes. Die ewigen Konflikte zwischen dem griechischen Selinunt und der einheimischen Siedlung Segesta eskalierten aber in der Folgezeit und führten schließlich zu einem Eingreifen der Großmächte Athen und Sparta, wobei letzteres Syrakus und Selinunt gegen Athen unterstützte.

Nachdem sich Selinunt nach dem Scheitern der Sizilienexpedition Athens 413 v. Chr. die Verwüstung Segestas „geleistet“ hatte, wurde die Stadt nach Berichten des Diodorus Siculus von Karthago im Jahr 409 v. Chr. nach einem Krieg mit 16.000 Toten und 5000 Gefangenen weitgehend zerstört. Von den Karthagern (Puniern) wurde der Ort wieder aufgebaut. Er stand seither endgültig unter karthagische Kontrolle und wurde fast ausschließlich von Puniern bewohnt, die in der Stadt auch ihre charakteristische Architektur einführten. Im Ersten Punischen Krieg wurde Selinunt dann 250 v. Chr. von den karthagischen Truppen geräumt und anschließend von den Römern zerstört. Damit endet die Geschichte Selinunts im Wesentlichen. Es gab aber offenbar eine gewisse Siedlungskontinuität auf sehr niedrigem Niveau, und in der Spätantike bestand ein kleiner christlicher Ort auf der einstigen Akropolis.

Heute vermuten einige Vulkanologen, Archäologen und Historiker, dass die Tempel der Stadt ebenso wie andere antike Städte an der sizilianischen Südwestküste auf Grund eines unterseeischen Erdbebens in der Straße von Sizilien und einer dadurch ausgelösten gewaltigen Flutwelle zerstört wurden. Die Datierung ist allerdings unklar.

Archäologie und Stadtplanung

Akropolis

Die Stadt wurde von den Griechen regelmäßig angelegt. Davon zeugen die genormten Straßenbreiten von 9 m, 6,5 m und 3,5 m. Jeder Häuserblock war genau 100 Fuß breit. Die Rinnsteine waren im rechten Winkel verlegt, und in einem der Häuser wurde die bislang erste Wendeltreppe der Geschichte gefunden.

Sämtliche Gebäude und Tempel Selinunts sind bereits vor Jahrhunderten aufgrund von Erdbeben eingestürzt. Einer der Tempel wurde 1956 wieder aufgebaut, die Rekonstruktion ist allerdings sehr umstritten. Seit Jahren führt das DAI umfangreiche Ausgrabungen auf dem Gelände der antiken Stadt durch.

Die Tempel Selinunts zeichnen sich durch einen gestreckten Grundriss, einen geschlossenen hinteren Cellaraum (Adyton), die Betonung der Front durch Verdoppelung der Säulenreihen, Erweiterung der Abstände und eine vorgelegte Freitreppe aus und zeigen eine Tendenz zu räumlicher Weite. Dieses fällt aber nicht unter den Begriff Hypäthraltempel.

Richard Sennet schreibt in seinem Buch Handwerk:

„Nach den älteren Anlageplänen verbanden Straßen einzelne Gebäude miteinander, doch das 624 v. Chr. von den Griechen gegründete Selinus war die reinste Kreuzung aus Kette und Schuss. Die Straßenkreuzung selbst wurde als wichtiges Designelement betont. Das Bild eines ‚urbanen Gewebes‘ war hier nicht beiläufige Metapher, sondern ganz unmittelbare Beschreibung. Anderseits besaß Selinus die Festigkeit und Kompaktheit eines Schiffes.“

Akropolis

Metopen des Tempels C (heute in Palermo)

Die Akropolis weist vier Tempel auf, dazu gut erhaltene Terrassierungen und Befestigungen aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Einer der Tempel ist der Tempel C (6 mal 17 Säulen) aus der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr., der teilweise restauriert wurde, ein weiterer ist der jüngere Tempel B. Hier finden sich auch die Überreste zahlreicher typisch punischer Wohnhäuser, die meist auf Fundamenten griechischer Bebauung errichtet wurden. Die Karthager scheinen auch die griechischen Heiligtümer weiterbenutzt zu haben, nun allerdings für ihren eigenen Kult. So finden sich etwa eindeutige Hinweise auf eine Verehrung von Tanit.

Osthügel und Demeterheiligtum

Auf dem Osthügel im Osten der Akropolis, der damals der am dichtesten besiedelte Teil der Stadt war, befinden sich Reste von 12 Tempeln aus dem 6. und 5. Jahrhundert v. Chr.; dazu zählt der vermutlich der Göttin Hera geweihte Tempel E (um 460–450 v. Chr.), der auf zwei Vorläuferbauten steht und als dorischer Peripteros (6 mal 15 Säulen) restauriert wurde, sowie der um 520 v. Chr. begonnene und unvollendete Tempel G, der mit einer Grundfläche von 50 mal 110 Meter einer der größten griechischen Tempel ist. Im Schutt dieser Tempel fand man einen 70 t schweren Giebel.

Westlich der Akropolis befinden sich das Heiligtum der Demeter Malophoros aus dem 7. bis 5. Jahrhundert v. Chr. und eine daneben liegende Nekropole.

Fundstücke

Ephebe von Selinunt

Zu den archäologischen Fundstücken aus Selinunt zählen:

  • Skulptierte Metopen aus Tempel G (um 465–450 v. Chr.) und Tempel C
  • Bronzeplastik, der „Ephebe von Selinunt“ aus der Zeit um 480 bis 460 v. Chr.
  • Vasen und Terrakotten aus dem Heiligtum der Demeter Malophoros und der Nekropole

Die meisten dieser Fundstücke sind im Archäologischen Regionalmuseum von Palermo untergebracht.

Rocche di Cusa

Rocche di Cusa

In der Nähe Selinunts befindet sich der antike Steinbruch Rocche di Cusa oder Cave di Cusa aus dem das gesamte für den Bau der Tempel verwendete Material stammt. Hier ist zu sehen, wie Säulentrommeln, die für den unvollendeten Tempel G vorgesehen waren, aus den Felsen herausgearbeitet wurden.

Heutige Nutzung

Der Archäologische Park Selinunt kann heute von Touristen besucht werden.[1] Besondere Aufmerksamkeit erhielten die Ruinen als ein Veranstaltungsort des Google Camps 2019 mit einem Auftritt der Band Coldplay.[2][3] Ebenso fanden hier Mode-Shootings statt.[4]

Literatur

  • Holger Baitinger: Selinus V. Die Metallfunde aus Selinunt: der Fundstoff aus den Grabungen des Deutschen Archäologischen Instituts auf der Agora (= Sonderschriften des Deutschen Archäologischen Instituts Rom. Band 19). Wiesbaden 2016.
  • Holger Baitinger: In weiter Ferne, so nah! – Einheimisches und Fremdes im Spiegel der Metallfunde von Selinunt. In: Erich Kistler u. a. (Hrsg.): Sanctuaries and the Power of Consumbtion. Networking and the Formation of Elites in the Archaic Western Mediterranean World (= PHILIPPIKA. Band 92). Harrassowitz, Wiesbaden 2015, S. 137–151.
  • Franco De Angelis: Megara Hyblaia and Selinous. The development of two Greek city-states in archaic Sicily (= Oxford University School of Archaeology Monograph. Band 57). Oxford 2003.
  • Salvatore De Vincenzo: Zwischen Griechen und Karthagern. Beitrag zur punischen Identität Selinunts im Kontext der Expansionspolitik Karthagos auf Sizilien. In: Mediterraneo antico. Band 17, Nummer 1, 2014, S. 235–267.
  • Christopher A. Faraone, Dirk Obbink (Hrsg.): The Getty hexameters. Poetry, magic, and mystery in ancient Selinous. Oxford 2013.
  • Luca Giuliani: Die archaischen Metopen von Selinunt. Mainz 1979, ISBN 3-8053-0287-8.
  • Sophie Helas: Selinus II. Die punische Stadt auf der Akropolis (= Sonderschriften des Deutschen Archäologischen Instituts Rom. Band 15). Wiesbaden 2011.
  • Marcus Heinrich Hermanns: Die Hafenanlagen von Selinunt. Materialien zur Erforschung der wirtschaftlichen Infrastruktur einer westgriechischen Küstenstadt. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung. Band 120, 2014, S. 99–134.
  • Eckart Olshausen: Selinus 4. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 11, Metzler, Stuttgart 2001, ISBN 3-476-01481-9, Sp. 367–371.
  • Anneliese Peschlow-Bindokat: Die Steinbrüche von Selinunt. Die Cave di Cusa und die Cave di Barone. Mainz 1990. ISBN 3-8053-1084-6
  • Dieter Mertens: Selinus I. Die Stadt und ihre Mauern (= Sonderschriften des Deutschen Archäologischen Instituts Rom. Band 15). Philipp von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3248-3.
  • Gabriel Zuchtriegel: Zur Bevölkerungszahl Selinunts im 5. Jh. v. Chr. In: Historia. Band 60, 2011, S. 115–121.

Weblinks

Commons: Selinunte – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikivoyage: Selinunt – Reiseführer

Koordinaten: 37° 35′ 1″ N, 12° 49′ 29″ O

Einzelnachweise

  1. Selinunte Archeological Park. In: Visit Selinunte. Abgerufen am 14. August 2019.
  2. Matthias Rüb: 114 Privatjets zu Klimagipfel. 864 Tonnen Kohlendioxid für den Klimaschutz. In: Frankfurter Allgemeine. Gerald Braunberger, Werner D'Inka, Jürgen Kaube, Berthold Kohler, 7. August 2019, abgerufen am 14. August 2019.
  3. Lee Marshall: Google Camp 2019. Is Sicily the new Davos? In: The Telegraph. Telegraph Media Group Ltd., 2. August 2019, abgerufen am 14. August 2019.
  4. Osman Ahmed: We spoke to an archaeologist about gucci’s new campaign. Because it’s set in the ruins of an Ancient Greek city. In: i-D. Levelprint Ltd., Vice, 26. April 2019, abgerufen am 14. August 2019.

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